Entwicklung in Finanzverwaltung und Rechtsprechung
Längst hat auch der Fiskus das enorme Gewinnpotenzial der anfangs oft belächelten virtuellen Währungen erkannt. Stellte man sich zu Beginn noch die Frage nach dem steuerlichen Umgang mit ebensolchen Gewinnen, war die ertragsteuerliche Behandlung des Handels sowie weiterer Transaktionen im Zusammenhang mit virtuellen Währungen seit dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (IV C 1, S 2256/19/10003 :001, BStBl. 2022 I, S. 668) zumindest aus der Sicht der Finanzverwaltung geklärt.
Hatten Anleger Anfang des Jahres noch hoffnungsvoll nach München geblickt, wo sich der Bundesfinanzhof mit der Besteuerung von Bitcoin & Co. zu befassen hatte, hat sich die Hoffnung auf eine günstigere Rechtsprechung inzwischen zerschlagen. Mit Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22, BStBl. 2023 II, S. 571) hat das Gericht die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur steuerlichen Behandlung der Veräußerung von Kryptowährungen bestätigt. So wird virtuellen Währungen auch im aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Wirtschaftsgutsqualität zugeschrieben, sodass Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen unter § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG fallen. Liegt zwischen dem Kauf und dem Verkauf weniger als ein Jahr, sind entsprechende Gewinne damit als „privates Veräußerungsgeschäft“ mit dem persönlichen Einkommensteuersatz voll steuerpflichtig. Die für „klassische“ Kapitalerträge geltende Abgeltungsteuer von 25 Prozent findet keine Anwendung.
Ein im Vorfeld vielfach diskutiertes strukturelles Vollzugsdefizit bei der Versteuerung von „Kryptogewinnen“ hat der Bundesfinanzhof abgelehnt. Dies wäre der Fall, wenn eine mangelnde Durchsetzbarkeit des Besteuerungstatbestands schon im Gesetz angelegt wäre, weil etwa die notwendige Datenerhebung steuerlich relevanter Tatsachen (z. B. Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt) ineffektiv erscheint oder Vollzugsschwierigkeiten einer konsequenten Besteuerung entgegenstünden. Das Gericht konnte jedoch gerade nicht feststellen, dass Verstöße in diesem Zusammenhang nicht konsequent geahndet und unterbunden werden. Die Finanzbehörden hätten die Möglichkeit, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen bei den Betreibern von Kryptohandelsplattformen einzuholen. Auch auf internationaler Ebene bestünden in Gestalt des „Crypto-Asset Reporting Framework“ (CARF) Bestrebungen, einen einheitlichen Rahmen für den internationalen Austausch steuerlich relevanter Daten zu Kryptowährungen zu schaffen.
Ermittlungen in NRW bereits angelaufen
Die Praxis zeigt bereits, dass der Bundesfinanzhof mit dieser Einschätzung recht behalten dürfte, denn die Finanzverwaltung bleibt nicht untätig. Hatte sie mit dem Ankauf von „Steuer-CDs“ in der Vergangenheit die Inhaber von Auslandskonten im Blick, stehen nun nicht erklärte Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen im Zentrum der Ermittlungen. Berichten zufolge wertet die Finanzverwaltung NRW derzeit auf der Basis eines Sammelauskunftsersuchens von der Handelsplattform „Bitcoin.de“ erhaltene Nutzerdaten aus bzw. leitete sie an die zuständigen Wohnsitzfinanzämter weiter. Es soll sich um die Daten von Kryptoanlegern handeln, die in den Jahren 2015 bis 2017 Umsätze von mehr als 50.000 Euro pro Jahr auf der Plattform getätigt haben. Zu erwarten ist, dass zukünftig weitere Anleger betroffen sind, die in späteren Jahren oder auf anderen Plattformen Kryptowährungen gehandelt haben. Auch werden vermutlich weitere Finanzverwaltungen dem Beispiel folgen und zukünftig konsequente Ermittlungen in diesem Bereich anstellen. Zu groß ist der „Markt“ rund um Kryptowährung geworden und zu hoch die „Dunkelziffer“ an möglicherweise unversteuerten Gewinnen.
Strafrechtliche Risiken
Nachdem die – insbesondere in der Vergangenheit – steuerlich nicht klar definierte Rechtslage jedenfalls hinsichtlich der Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen durch das genannte Urteil dem Grunde nach geklärt ist, stellt sich die Frage nach steuerstrafrechtlichen Risiken für Kryptoanleger, deren Gewinne bislang nicht deklariert wurden.
Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass in solchen Fällen dringender Handlungsbedarf besteht. Eine Bestrafung wegen des Vorwurfs einer (vorsätzlichen) Steuerhinterziehung lässt sich mit einer Nachdeklaration der Veräußerungsgewinne häufig noch vermeiden. Diese sollte daher vorsorglich als sogenannte Selbstanzeige ausgestaltet werden.
Dies gilt regelmäßig auch noch dann, wenn der Steuerpflichtige bereits vom Finanzamt angeschrieben und zur Nacherklärung etwaiger Veräußerungsgewinne aufgefordert wurde („Einladung zur Selbstanzeige“). Hiermit dürfte regelmäßig noch keine „Tatentdeckung“ verbunden sein, die eine wirksame Selbstanzeige ausschließen würde. Das Risiko einer Tatentdeckung durch die Finanzbehörden ist durch die dargestellten Ermittlungsmaßnahmen jedoch stark angestiegen. Im Zweifel ist hier also Eile geboten.
Die Selbstanzeige muss vollständig sein und setzt die Nachzahlung der verkürzten Steuern samt Zinsen und etwaiger Zuschläge voraus. Eine vollständige Anzeige liegt vor, wenn für sämtliche Steuerstraftaten einer Steuerart – hier der Einkommensteuer – alle unvollständigen Angaben für alle strafrechtlich nicht verjährten Taten, mindestens aber für die letzten zehn Kalenderjahre nachgeholt werden. Dies umfasst gegebenenfalls nicht nur den Handel mit Kryptowährungen, sondern auch nicht erklärte Einkünfte anderer Einkunftsarten (Vermietung, selbstständige Tätigkeit etc.). Lassen sich die in der Vergangenheit erzielten Veräußerungsgewinne nicht mehr rekonstruieren, kann gegebenenfalls eine Schätzung erfolgen.
Wurde bereits ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, ist es für eine Selbstanzeige zu spät. Jedoch kann sich auch in diesen Fall eine Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung häufig noch strafmildernd auswirken.