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Arbeitsrecht - Jahresrückblick 2023 und Ausblick 2024

Umgesetzte gesetzliche Neuerungen sowie Erwartungen an gesetzliche Neuerungen in 2024


Überblick

  • Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu. Wir möchten reflektieren, was arbeitsrechtlich in diesem Jahr passiert ist und welche gesetzlichen Entwicklungen und Rechtsprechungen wir im Jahr 2024 erwarten dürfen.
  • Arbeitszeit und insbesondere deren Erfassung werden Dauerbrenner bleiben, für die es noch keine gesetzliche Umsetzung gibt.
  • Auch im Beschäftigtendatenschutz sind gesetzliche Neuregelungen zu erwarten, insbesondere hinsichtlich der Digitalisierung im Arbeitsverhältnis.

Arbeitszeiterfassung und Arbeitszeit sind seit der Entscheidung des EuGH 2019 und des BAGs im Herbst 2022 ein Dauerbrenner. Eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber besteht. Das dürfte mittlerweile unumstritten sein. Nach wie vor ungeklärt ist jedoch, wie genau das in der Praxis von Arbeitgebern umzusetzen ist. Einen Referentenentwurf für die Änderung des Arbeitszeitgesetzes gab es zwar, die Verabschiedung einer solchen Änderung blieb bisher aus. Gerüchten zufolge ist der aktuelle Referentenentwurf lange vom Tisch, ein neuer lässt auf sich warten. Ob ein solcher 2024 umgesetzt wird, bleibt fraglich. Das LAG München hat im Mai diesen Jahres klargestellt, dass der Betriebsrat bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems ein Mitbestimmungsrecht und auch ein Initiativrecht für die Ausgestaltung hat. Die zu erwartende gesetzliche Neuregelung zur Arbeitszeiterfassung schützt den Arbeitgeber also nicht davor, dass der Betriebsrat Regelungen über die Ausgestaltung erzwingen kann. Das Verfahren ist vor dem BAG anhängig, es bleibt daher abzuwarten, inwieweit das BAG an seine viel beachtete und breit diskutierte Entscheidung aus dem Herbst 2022 anknüpft.

 

Das VG Lüneburg ist in einer Entscheidung im Mai diesen Jahres von der gefestigten Rechtsprechung des BAG zur Frage, was Arbeitszeit ist, abgewichen. Es hat klargestellt, dass Reisezeit mit der Bahn als Arbeitszeit gelte. Insbesondere dann, wenn keine festen Arbeitsorte vereinbart sind, sollten Unternehmen (im Fall des VG ein Speditionsunternehmen) daher künftig ihre Aufzeichnungspraxis überprüfen und bei der Personaleinsatzplanung Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten berücksichtigen.

Neues aus dem Betriebsverfassungsgesetz gab es dieses Jahr auch. Gesetzliche Vertreter von Arbeitgebergesellschaften können sich der Untreue strafbar machen, sollten sie einzelnen Betriebsratsmitgliedern ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewähren (BAG Anfang des Jahres 2023). Die Reaktion vieler Unternehmen: Präventiv die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern kürzen. Das wiederum kann jedoch zur Folge haben, dass Betriebsratsmitglieder rechtlich gegen diese Kürzungen vorgehen. Unternehmen sind daher gut beraten, nicht pauschal zu kürzen, sondern Vergleichsgruppen zu bilden und Ausreißer nach oben (z. B. Lustreisen nach Brasilien, First Class-Flüge oder Luxusautos als Dienstwägen) zu vermeiden. Ein entsprechender Regierungsentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes zur Vergleichsgruppenbildung und zur Konkretisierung des Begünstigungs- und Benachteiligungsverbots von Betriebsräten wurde am 1. November 2023 verabschiedet.

Das am 2. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz soll insbesondere Schutz vor Benachteiligungen schaffen und Beschäftigten ermöglichen, anonym auf Sachverhalte wie Mobbing oder Korruption hinweisen zu können. Ab dem 17. Dezember 2023 läuft bereits die erste Umsetzungsfrist aus: Bis dahin sind Arbeitgeber mit 50 oder mehr Beschäftigten verpflichtet, eine interne Meldestelle für solche anonymen Hinweismöglichkeiten einzurichten. Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz sind bußgeldbehaftet, es können Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 EUR verhängt werden.

Zwar sieht der Koalitionsvertrag auf seiner Prioritätenliste vor, neue Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz zu schaffen, um für Arbeitgeber und Beschäftigte Rechtsklarheit zu schaffen und Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative des Bundes blieb dazu jedoch aus. Erst durch eine Entscheidung des EuGH im März diesen Jahres zu dem hessischen Landesdatenschutz (nahezu wortgleich zu § 26 Abs. 1 BDSG) brachte das Thema wieder auf den Tisch. Die Ministerien BMI und BMAS haben sich bereits auf die Eckpunkte eines Gesetzentwurfs geeinigt, insbesondere über Aspekte der Digitalisierung des Arbeitsverhältnisses. Maßnahmen einer dauerhaften Überwachung sollen nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen zulässig sein, um der Sicherheit von Beschäftigten oder dem Arbeitsschutz gerecht zu werden. Die Erfassung von Ruhezeiten, die Koordinierung wechselnder Arbeitseinsätze an verschiedenen Orten und die Disposition von Einsatzkräften sollen weiterhin möglich sein. Der Arbeitgeber soll aber keine lückenlosen Bewegungs- und Leistungsprofile zur Bewertung von Beschäftigten erstellen dürfen.

Ab dem 1. Januar 2024 müssen Arbeitgeber 12,41 EUR pro Stunde brutto bezahlen. Auch für Minijobber steigt die Entgeltgrenze auf 538 EUR pro Monat. Aber Achtung: Auch bei Minijobbern kann es sein, dass sie mehr als den Mindestlohn zahlen müssen, sollten gleichwertige Tätigkeiten zu Vollzeitangestellten erbracht werden. Das hat das BAG Anfang des Jahres 2023 entschieden (Rettungsassistenten als geringfügig Beschäftigte): keine Ungleichbehandlung im Entgelt bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit.

Fazit

Auch im Jahr 2024 dürfen wir einige Gesetzesänderungen erwarten. Welche hier erwähnten gesetzlichen Vorhaben umgesetzt oder doch faktisch durch die Rechtsprechung entschieden werden, bleibt abzuwarten.

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