Reflektionen in einer Hochhausfassade

Artikelserie „Gewappnet für den Hausbesuch“ - Teil 1: Der rechtswidrige Durchsuchungsbeschluss


Mit der Idee zu den schwarzen Kugelschreibern mit dem Aufdruck „Wir machen auch Hausbesuche – Ihre Steuerfahndung“ hat die Finanzverwaltung zur Abwechslung mal Humor bewiesen. Das Lachen vergeht einem jedoch spätestens, wenn tatsächlich die Steuerfahndung vor der Tür steht. Eine Durchsuchung ist nicht nur ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, sondern kann teilweise sogar mit existenzbedrohenden Konsequenzen für das Unternehmen einhergehen, etwa wenn der betriebliche Ablauf für die Dauer der Durchsuchung gestört oder teilweise sogar vollständig eingestellt werden muss. Auch die Reputation kann bei häufig anzutreffender Berichterstattung in der Presse leiden.

In der Artikelserie „Gewappnet für den Hausbesuch“ berichtet das Team der Praxisgruppe Steuerstrafrecht zu ausgewählten Praxisthemen und gibt wichtige Hinweise, wie sich Betroffene im Ernstfall verhalten sollten. In jedem Fall sind die drei goldenen Regeln zu beachten: Ruhe bewahren – umfassend schweigen – einen Rechtsbeistand verständigen.

Einführung

Der Durchsuchungsbeschluss ist in gewisser Weise die Eintrittskarte der Fahnder. Er beschreibt, gegen wen sich die Ermittlungen richten, welche Sachverhalte und Zeiträume Gegenstand sind und welche Räumlichkeiten durchsucht werden dürfen. Die Praxis zeigt, dass Beschlüsse nicht selten mangelhaft sind, weil die für den Erlass eines wirksamen Durchsuchungsbeschlusses erforderlichen Voraussetzungen nicht beachtet wurden oder einzelne Angaben schlicht falsch sind. Dann sind der Durchsuchungsbeschluss und die Durchsuchung rechtswidrig und die erlangten Unterlagen und Daten können einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Sie dürften dann in einem gerichtlichen Verfahren nicht mehr als Beweis herangezogen werden. Insoweit stellt sich die Frage, wie die Rechtmäßigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses überprüft werden kann und welche Voraussetzungen der Beschluss erfüllen muss. Dass es sich durchaus lohnen kann, von dem Rechtsbehelf der Beschwerde Gebrauch zu machen, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Kiel (LG Kiel, Beschluss vom 20.12.2023 – Az.: 6 Qs 26–29/23).

Die Durchsuchung

Die Durchsuchung eines Hauses, einer Wohnung oder von Geschäftsräumen ist eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme, die regelmäßig mit einem Grundrechtseingriff verbunden ist. Sie muss deswegen durch den zuständigen Richter angeordnet werden. Ausnahmen gelten lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen bei Gefahr im Verzug. Dann sind auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (Polizei) zur Anordnung befugt.

Die Strafprozessordnung differenziert zwischen der Durchsuchung beim Beschuldigten selbst (§ 102 StPO) und der Durchsuchung bei anderen Personen (§ 103 StPO). Während es bei der Durchsuchung beim Beschuldigten genügt, das Gesuchte möglicherweise finden zu können, müssen bei der Durchsuchung bei anderen Personen konkrete Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass sich der Durchsuchungsgegenstand in den zu durchsuchenden Räumen befindet.

Eine Durchsuchung beim Beschuldigten, die in der Regel deutlich intensiver als bei anderen Personen erfolgt, setzt zwingend einen Anfangsverdacht voraus. Das heißt, dass konkrete Tatsachen vorliegen müssen, die darauf hinweisen, dass der Betroffene eine Straftat begangen hat. Reine Vermutungen und vage Anhaltspunkte genügen nicht. Sowohl bei Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses als auch bei der Durchführung einer Durchsuchung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen. Leider werden in der Praxis diese hohen Maßstäbe häufig nicht beachtet und Durchsuchungsbeschlüsse auf zweifelhafter Grundlage erlassen.

Mindestanforderungen an den Durchsuchungsbeschluss

Aufgrund der Schwere des mit einer Durchsuchung einhergehenden Eingriffs stellt das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen an den Inhalt eines Durchsuchungsbeschlusses. Von besonderer Relevanz sind dabei die folgenden:

Form:
Auch wenn eine bestimmte Form gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, sind in der Praxis typischerweise nur schriftliche Durchsuchungsbeschlüsse anzutreffen. Aus dem Beschluss muss sich das anordnende Gericht mit dem genauen Anordnungsdatum ergeben. Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres verliert ein Durchsuchungsbeschluss seine rechtfertigende Kraft und ist „nicht mehr gültig“. Der Beschluss muss vom Richter unterzeichnet worden sein und es muss erkennbar sein, wer den Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbeschusses gestellt hat.

Angabe des Beschuldigten:
Im Durchsuchungsbeschluss muss außerdem die Angabe des Beschuldigten enthalten sein. Unschädlich ist, wenn dieser noch nicht namentlich bekannt ist. Bei Durchsuchungen von Unternehmen richtet sich der Durchsuchungsbeschluss häufig gegen „namentlich noch unbekannte Mitarbeiter und Kunden“ oder generell gegen die Geschäftsführung, wobei eine offene Formulierung von der Rechtsprechung ohne weiteres akzeptiert wird.

Tatvorwurf:
Dem Durchsuchungsbeschluss muss der konkrete Strafbarkeitsvorwurf zu entnehmen sein. Er muss die Straftat, deren Verfolgung die Durchsuchung dient, möglichst genau bezeichnen. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes oder eine schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat genügen nicht, denn der Durchsuchungsbeschluss hat (auch) eine Begrenzungsfunktion. Dem Betroffenen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von Beginn an entgegenzutreten. Bei der Steuerhinterziehung genügt ein Durchsuchungsbeschluss den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht, wenn er weder Angaben zur Steuerart enthält noch eine zeitliche Eingrenzung des Tatvorwurfs vornimmt. Wird im Beschluss beispielsweise (nur) ein Tatzeitraum „zwischen 2015 und 2018“ angegeben, bleibt unklar, für welche Jahre der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben wird. Der vermeintliche Tatzeitraum lässt auch nicht auf relevante Veranlagungszeiträume schließen. In dem Sachverhalt, der der erwähnten Entscheidung des LG Kiel (Beschluss vom 20.12.2023 – Az.: 6 Qs 26–29/23) zugrunde lag, ließ das Amtsgericht in seinem Durchsuchungsbeschluss offen, welche Steuererklärungen für welche Jahre verspätet abgegeben worden und welche Steuerarten in welchem Umfang Gegenstand der Verkürzung gewesen sein sollen. Das LG Kiel hob die Durchsuchungsbeschlüsse auf, nachdem das Amtsgericht Kiel der Beschwerde des Betroffenen nicht abgeholfen hatte. Oftmals führt die hohe Komplexität des Steuerrechts dazu, dass der Ermittlungsrichter ohne wirkliche inhaltliche Kontrolle einen Durchsuchungsbeschluss erlässt und sich gewissermaßen „blind“ auf die Sachkunde der Steuerbehörde verlässt.

Durchsuchungsgegenstand:
Der Beschluss muss die zu durchsuchenden Räumlichkeiten mit Adresse und in Unternehmensfällen mit Hinweis auf die Gesellschaft genau beschreiben. Erforderlich ist eine konkret formulierte Anordnung, die den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Beschlüsse die falsche Gesellschaft ausweisen oder einzelne Niederlassungen einer Gesellschaft nicht erfasst sind. In diesem Fall muss eine Durchsuchung der Räumlichkeiten nach Möglichkeit unterbunden und Kontakt zu dem Ermittlungsrichter, der den Beschluss erlassen hat, aufgenommen werden.

Angabe des Durchsuchungszwecks und der Beweismittel:
Der Durchsuchungsbeschluss muss den Zweck der Durchsuchung angeben. Dient er dem Auffinden von Beweismitten, müssen im Einzelnen Art und denkbarer Inhalt der Beweismittel in dem Beschluss genannt werden (z. B. Verträge, Buchhaltungsdaten, elektronische Daten, E-Mails etc.).

Durchsuchungsbeschluss vorlegen lassen

Gleich zu Beginn der Durchsuchung sollte sich der Betroffene den Durchsuchungsbeschluss vorlegen lassen und ihn kopieren bzw. fotografieren, falls keine Abschrift ausgehändigt wird. So kann der Betroffene der Durchsicht und Beschlagnahme von Dokumenten, die nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat stehen, unmittelbar widersprechen. Gegen die Durchsuchung als solche kann sich der Betroffene regelmäßig erst im Nachhinein wehren. Es empfiehlt sich daher, die Ermittlungsbeamten unter Aufsicht des Rechtsbeistandes zunächst einmal „gewähren zu lassen“ und grundsätzlich zu kooperieren. Allerdings sollten die einzelnen Maßnahmen der Ermittler genau dokumentiert werden. Ein Notfallplan, den jedes Unternehmen in der Schublade haben sollte, hilft dabei, eine Durchsuchung professionell und kontrolliert zu begleiten.

Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss

Dem Beschuldigten steht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss zu. Eine Beschwerde, die ihrerseits nicht fristgebunden ist, erfolgt beim Gericht, das den Durchsuchungsbeschluss erlassen hat. Weist der Beschluss offensichtliche Mängel auf, ist eine Beschwerde ernsthaft zu erwägen. Möglicherweise rechtswidrig sichergestellte oder beschlagnahmte Beweismittel sollten während der Durchsuchung in Absprache mit den Ermittlern versiegelt werden, um eine unmittelbare Auswertung durch die Behörden zu verhindern. Hat eine eingelegte Beschwerde Erfolg, müssen die sichergestellten Beweismittel ohne Einsichtnahme der Behörde zurückgegeben werden.

Fazit

Der Durchsuchungsbeschluss ist nicht nur die Eintrittskarte der Fahnder, er ist auch zentrales Dokument für eine effektive Verteidigung. Mit Unterstützung eines Rechtsbeistands ist er detailliert zu prüfen, um gegebenenfalls vom Rechtsmittel der Beschwerde Gebrauch zu machen. Gerne helfen Ihnen dabei die spezialisierten Berater von EY Law, wir machen nämlich auch Hausbesuche.

Kontaktperson: Catharina Koch, LL.M.