Einführung
Bei Vorliegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung ist die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen eine mögliche Ermittlungsmaßnahme. Da die Steuerfahndung in den meisten Fällen unangekündigt vor der Tür steht, sollten alle Beteiligten auf diesen „Besuch“ vorbereitet sein. Sowohl einfache Gespräche (sog. Flurgespräche) während der Durchsuchung als auch eine formale Aussage im Rahmen einer Vernehmung können und werden im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verwertet.
Eine besondere Herausforderung ergibt sich bei der Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zusätzlich daraus, dass Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet sind. Im Strafverfahren dürfen beschuldigte Steuerpflichtige hingegen umfassend schweigen. Im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergeben sich aus diesem Aufeinandertreffen grundsätzlich Spannungen, denen bestmöglich mit Unterstützung eines Rechtsbeistands begegnet werden kann.
Die Vernehmung während einer Durchsuchung
Ermittlungsbehörden versuchen zuweilen, den Überraschungseffekt zu nutzen und eine Vernehmung von Beschuldigten oder Zeugen im Zuge einer Durchsuchung vorzunehmen. Der Zeitpunkt der Vernehmung ist gesetzlich nur insoweit geregelt, als die Vernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erfolgen muss. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, zu welchem Zeitpunkt des Verfahrens Beschuldigte vernommen werden. Der Vernehmungszeitpunkt wird gesetzlich nur insoweit geregelt, als die Vernehmung vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens erfolgt sein muss. Um weitere Ermittlungen zu vermeiden, kann eine Vernehmung zu Beginn des Verfahrens sinnvoll sein. Die Möglichkeit von Beschuldigten, eine Stellungnahme abzugeben und sich mit dem Verdacht auseinanderzusetzen, spricht hingegen für eine zeitlich spätere Vernehmung. Eine Vernehmung muss somit nicht zwangsläufig an Ort und Stelle während einer Durchsuchung erfolgen, sie kann es aber.
Eine Vernehmung in den eigenen Räumlichkeiten von Beschuldigten können diese grundsätzlich versagen, denn sie haben trotz Durchsuchungsbeschlusses die Möglichkeit, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. Die Durchsuchung dient allein dem Auffinden und Sicherstellen von Beweismitteln, sodass der Durchsuchungsbeschluss gerade nicht zu einer Vernehmung vor Ort berechtigt. Eine Vernehmung in der oftmals überraschenden Durchsuchungssituation birgt die große Gefahr vorauseilender und unbedachter Äußerungen. Auch geschäftlich sehr erfahrene Personen befinden sich in einer Ausnahmesituation, die das eigene Urteils- und Erinnerungsvermögen negativ beeinflussen kann. Deswegen sollte eine Vernehmung keinesfalls ohne Rücksprache mit einem Rechtsbeistand, zwingend in seinem Beisein und idealerweise nach einer Vorbereitung auf die Vernehmungssituation durchgeführt werden. Die Vorladung zur Vernehmung bei der Ermittlungsbehörde kann nach Abschluss der Durchsuchung erfolgen.
Rechte von Beschuldigten und Zeugen bei der Vernehmung
Die Vernehmung zur Sache ist erforderlich, um Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren und ihnen Gelegenheit zu geben, die Verdachtsmomente auszuräumen oder Entlastendes geltend zu machen. Ziel der Vernehmung ist die Wahrheitsermittlung und Beweissicherung. Die Vernehmung kann im Ermittlungsverfahren u. a. durch die Finanzbehörde, die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen, wozu beispielsweise auch die Behörden des Zollfahndungsdienstes zählen, erfolgen.
Bei den Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit der Vernehmung ist zwischen Beschuldigten und Zeugen grundlegend zu differenzieren.
Die Vernehmung der Beschuldigten
Bei einer Vernehmung stehen Beschuldigten besondere Rechte zu. Die Ermittler haben formale Belehrungspflichten zu beachten. Dies gilt allerdings nicht, wenn keine konkrete Vernehmungssituation gegeben ist. Die Abgrenzung von informatorischen Vorgesprächen, Spontanäußerungen und einer Vernehmung gestaltet sich häufig schwierig, sodass im Zweifel keinerlei Aussagen zur Sache getätigt werden sollten. Insbesondere sollten „Flurgespräche“, die den Anschein eines unverfänglichen Inhalts haben und gerade keine typische Vernehmungssituation darstellen, vermieden werden. Bei diesen ist die Gefahr besonders groß, sich selbst oder andere (unbedacht) zu belasten.
Unabhängig von der Stellung als Beschuldigter kann in jeder Lage des Verfahrens ein Rechtsbeistand hinzugezogen werden. Ein auf dem Gebiet des Strafrechts kompetenter Rechtsbeistand sollte bereits zu Beginn der Durchsuchung umgehend verständigt und zum Ort der Durchsuchung gebeten werden. Die Kontaktierung eines Rechtsbeistands darf Betroffenen nicht verweigert werden. Insofern sollte um eine Unterbrechung der Durchsuchung bis zum Eintreffen des Rechtsbeistands gebeten werden. Ein Recht hierauf besteht jedoch nicht.
Bei der ersten Vernehmung sind die Beschuldigten über die Möglichkeit der Verteidigerkonsultation zu belehren. Auch auf die Möglichkeit, bereits vor der Vernehmung eine von ihnen zu wählende Verteidigerin oder einen Verteidiger zu befragen, ist hinzuweisen. Die Verweigerung oder wesentliche Erschwerung des Zugangs zu einer Verteidigerin oder einem Verteidiger stellt einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar. Daneben besteht ein Recht der Verteidigerin oder des Verteidigers auf Anwesenheit. Die Beschuldigten sind lediglich zur Angabe der Personalien verpflichtet. Aufgrund der Selbstbelastungsfreiheit ist niemand verpflichtet, sich durch eine eigene Aussage selbst zu belasten. Auf dieses Recht sind die Beschuldigten durch die vernehmende Person hinzuweisen und als Beschuldigte oder Beschuldigter sollte davon umfassend Gebrauch gemacht werden. Angaben zur Sache sollten ohne Rücksprache mit dem Rechtsbeistand auf keinen Fall erfolgen! Die dem Besteuerungsverfahren zugrunde liegenden Mitwirkungspflichten finden grundsätzlich keine Anwendung, wenn sich die Steuerpflichtigen durch deren Erfüllung wegen einer begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit selbst belasten würden.
Außerhalb des Versuchs einer Vernehmung während einer Durchsuchung ist die einfachste Abwehrmaßnahme gegen den Versuch einer Vernehmung die Überprüfung des Absenders der Ladung. Hat die Steuerfahndung zur Vernehmung geladen, besteht keine Pflicht zum Erscheinen. Einer Ladung der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts oder der Staatsanwaltschaft haben die Beschuldigten hingegen Folge zu leisten. Sie können bei der Vernehmung allerdings auf die Begleitung durch einen Rechtsbeistand bestehen und vom Schweigerecht Gebrauch machen.
Die Vernehmung von Zeugen
Neben Beschuldigten können insbesondere auch Mitarbeitende des Unternehmens als Zeugen vernommen werden. Im Gegensatz zu Beschuldigten haben diese grundsätzlich kein Recht, die Aussage zu verweigern. Sie sind zur Aussage gegenüber den Ermittlungsbehörden verpflichtet, sofern ihnen kein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund von Verwandtschaft/Schwägerschaft bzw. Verlöbnis mit dem oder der Beschuldigten oder ein Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz vor eigener Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zusteht. Hervorzuheben ist, dass Mitarbeitenden eines Unternehmens, die als Syndikus-Rechtsanwälte oder Syndikus-Steuerberater zugelassen sind, insoweit kein berufsrechtliches Zeugnisverweigerungsrecht bezogen auf relevante Sachverhalte ihres Arbeitgebers zusteht. Mitarbeitende des Unternehmens sollten bereits im Vorfeld sowohl hinsichtlich ihres Verhaltens während einer Durchsuchung als auch hinsichtlich der Möglichkeit ihrer Vernehmung geschult werden. Sie können vor ihrer Befragung eine Rücksprache mit einem Rechtsbeistand einfordern und bei ihrer Vernehmung auch von dem Rechtsbeistand als Zeugenbeistand begleitet werden.
Verstöße gegen Belehrungspflichten
Ist der Vernehmung der Beschuldigten nicht der Hinweis vorausgegangen, dass es ihnen freisteht, sich zum Tatvorwurf zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, dürfen Äußerungen, die sie in dieser Vernehmung gemacht haben, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verwertet werden. Auch ein versehentliches Unterbleiben der Belehrung reicht für die Unverwertbarkeit aus. Die unterbliebene Beschuldigtenbelehrung wirkt regelmäßig im Sinne des Verwertungsverbots auch bei weiteren Vernehmungen fort. Hingegen besteht kein Verwertungsverbot, wenn die Beschuldigten ohne Zutun der Ermittlungsbehörden vor der beabsichtigten Belehrung spontan eine Äußerung abgeben.