Aktueller Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Zur Umsetzung der im August 2023 beschlossenen Eckpunkte zum Bürokratieabbau hatte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 11.01.2024 den Referentenentwurf des BEG IV an die Verbände versandt. Am 13.03.2024 beschloss das Bundeskabinett den Regierungsentwurf des BEG IV; die Stellungnahme des Bundesrates ist für den 26.04.2024 vorgesehen.
Das BEG IV soll Ende Juni 2024 vom Bundestag beschlossen und nach der parlamentarischen Sommerpause vom Bundesrat bestätigt werden. Es ist davon auszugehen, dass bis dahin noch weitere Entlastungsmaßnahmen im Laufe des parlamentarischen Verfahrens ergänzt werden und es zu zahlreichen Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf kommt.
Was soll sich im Zivil- und Gesellschaftsrecht ändern?
Bisher ist in vielen Bereichen des Zivil- und Wirtschaftsrechts die Schriftform (§ 126 BGB) vorgesehen. Diese verlangt die eigenhändige Unterschrift auf Papier oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens. In vielen digitalisierten Prozessen sorgt dies für Medienbrüche und verlangsamt das eigentliche Vorgehen.
Durch das BEG IV soll nun in zahlreichen Fällen die Schriftform durch die Textform (§ 126b BGB) ersetzt bzw. der Ausschluss der elektronischen Form (§ 126a BGB) aufgehoben werden.
Geplant sind entsprechende Änderungen insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die zahlreiche Schriftformerfordernisse aufheben sollen. Die geplanten Änderungen betreffen u. a. Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht (§§ 32 Abs. 3, 33 Abs. 1 Satz 2 BGB-E), die Mitteilung des Veräußerers im Zusammenhang mit der Übernahme einer Hypothekenschuld (§ 416 Abs. 2 Satz 2 BGB-E), die Form des Widerspruchs des Mieters gegen die Kündigung des Vermieters (§ 574b Abs. 1 Satz 1 BGB-E) und die Regelungen über Pachtverträge (§§ 585a, 594a Abs. 1 Satz 3, 594d Abs. 2 Satz 3, 595 Abs. 4 Satz 1 BGB-E). Die Bereitstellung der Belege der Betriebskostenabrechnung wird künftig in digitaler Form möglich sein (§ 556 Abs. 4 BGB-E).
Auch im Gesellschaftsrecht (z. B. AktG, SEAG, GmbHG) sollen Erleichterungen geschaffen werden. Im GmbH-Recht werden die §§ 23, 48 und 38 GmbHG angepasst. Über die Anpassung in § 48 Abs. 2 GmbHG-E wird beispielsweise gesetzlich verankert, dass im Falle der Beschlussfassung der Gesellschafter außerhalb einer Versammlung die Stimmabgabe in Textform genügt, wenn sämtliche Gesellschafter einverstanden sind. Auch im Umwandlungsgesetz (§§ 22 und 100UmwG-E), im Aktiengesetz (§§ 20, 21, 269, 327 und 328 AktG-E) und in § 13 SEAG wird die Schriftform von der Textform abgelöst.
Ebenfalls betroffen von der Absenkung des Formerfordernisses sind darüber hinaus u. a. die Wirtschaftsprüferordnung, das Steuerberatungsgesetz und die Bundesrechtsanwaltsordnung.
Die geplanten Änderungen treten grundsätzlich am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft (Art. 62 Abs. 1 BEG IV-E).
Geplante Änderungen im arbeitsrechtlichen Kontext
Der Regierungsentwurf für das BEG IV vom 13.03.2024 sah ursprünglich als Erleichterung vor, dass im Arbeitsvertragsrecht eine Regelung im Nachweisgesetz geschaffen werden soll, wonach bei schriftlichen Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfällt, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen und in einem ausdruckbaren Format übermittelt wurde (§ 2 Abs. 5 Satz 2 und 3 NachweisG-E).
Im Nachgang zu dem Regierungsentwurf hat sich die Bundesregierung laut einem Schreiben von Bundesjustizminister Dr. Buschmann vom 21.03.2024 weiter gehend darauf geeinigt, die Schriftform im Nachweisgesetz durch die Textform gemäß § 126b BGB zu ersetzen, was voraussichtlich im parlamentarischen Verfahren erfolgen soll. Zwar betrifft die Formerleichterung nicht den Arbeitsvertrag selbst (dieser kann auch nach jetziger Rechtslage formlos abgeschlossen werden), sondern nur die im Nachweisgesetz gelisteten wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen. Allerdings werden die Nachweispflichten normalerweise direkt im Arbeitsvertrag erfüllt, sodass sich etwaige Formerfordernisse im Nachweisgesetz de facto auf den gesamten Arbeitsvertrag erstrecken. Mit dem Wegfall des Schriftformerfordernisses kann der Abschluss eines Arbeitsvertrags künftig vollständig digital, etwa per E-Mail, erfolgen.
Für die Erteilung von Arbeitszeugnissen (§ 630 Satz 3 BGB-E/§ 109 GewO-E) soll die elektronische Form ermöglicht werden. Außerdem sollen das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz dahin gehend angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten durch den Arbeitgeber auch erfüllt werden, wenn er die geforderten Informationen elektronisch zur Verfügung stellt.
Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden.
Auch diese Änderungen treten grundsätzlich am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft (Art. 62 Abs. 1 BEG IV-E).
In o.g. Schreiben kündigte Bundesjustizminister Dr. Buschmann darüber hinaus an, dass auch das Schriftformerfordernis für den Überlassungsvertrag zwischen Ver- und Entleiher nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) durch die Textform abgelöst werden soll.
Änderungen bei den Aufbewahrungsfristen
Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 AO-E sowie § 257 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 4 HGB-E).
Entsprechend wird auch die umsatzsteuerliche Frist zur Aufbewahrung von Rechnungen gekürzt (§ 14b Abs. 1 Satz 1 und § 26a Abs. 2 Nr. 2 UStG-E).
Nicht gekürzt werden dagegen andere zehnjährige Aufbewahrungsfristen etwa für Handelsbücher und Jahresabschlüsse (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie vergleichbare Regelung in § 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB) oder für Unterlagen nach Art. 15 Abs. 1 und Art. 163 des Zollkodex der Union (§ 147 Abs. 1 Nr. 4a AO). Auch andere handels- und steuerrechtliche Aufbewahrungsfristen, die derzeit sechs Jahre betragen (z. B. für Geschäftsbriefe), bleiben unverändert.
Die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen in der Abgabenordnung, im Handelsgesetzbuch und im Umsatzsteuergesetz gilt für alle Unterlagen bzw. Rechnungen, bei denen die Aufbewahrungsfrist nach der bisherigen Regelung beim Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgelaufen ist (Art. 97 § 19a Abs. 2 EGAO-E, Abschnitt Übergangsvorschrift zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz im HGBEG und § 27 Abs. 40 UStG-E).
Weitere Erleichterungen
Mit Änderungen im Bundesmeldegesetz und in der Beherbergungsmeldeverordnung soll die im Koalitionsvertrag vereinbarte weitgehende Abschaffung der Meldepflicht bei touristischen Übernachtungen umgesetzt werden. Für deutsche Staatsangehörige besteht zukünftig also in Deutschland keine Hotelmeldepflicht mehr.
Um die Abläufe bei der Flugabfertigung am Flughafen zu beschleunigen, soll die Fluggastabfertigung künftig auch digital erfolgen können. Hierzu können mit ausdrücklicher Einwilligung des Reisenden bestimmte Daten aus dem Reisepass digital ausgelesen werden.
Steuerberater sollen ab dem 01.01.2028 Generalvollmachten im Bereich der sozialen Sicherung in einer zentralen Vollmachtsdatenbank hinterlegen können. Diese soll sodann von allen Trägern der sozialen Sicherung abgerufen werden können.
Die Möglichkeiten, öffentliche Versteigerungen durchzuführen, sollen ebenfalls erweitert werden. Künftig sollen sie wahlweise auch online per Live-Stream oder in hybrider Form (vor Ort und online) stattfinden können.
Die Äußerungsfrist bei Öffentlichkeitsbeteiligungen in Zulassungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, in denen aufgrund von Änderungen des Vorhabens eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit erforderlich ist, soll angemessen verkürzt werden können.
Des Weiteren sollen Anzeige- bzw. Informationspflichten in einigen Bereichen abgeschafft werden, etwa die Anzeigepflicht nach dem Mess- und Eichgesetz oder die Informationspflicht nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz.