Hintergrund und Regelungsgehalt des § 7c EnWG
Die Regelungen des § 7c Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) finden ihren Ursprung in der Elektrizitäts- und Binnenmarkt-Richtlinie der Europäischen Union (EU) 2019/944, kurz „die Richtlinie“). Im Jahr 2019 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Novellierung dieser Richtlinie. Hintergrund für die Neuregelung war die Erkenntnis, dass der Ausbau der Elektromobilität ein wichtiger Bestandteil der Energiewende ist. Mit den Vorschriften der Richtlinie soll „ein wirksamer Ausbau von öffentlich zugänglichen und privaten Ladepunkten für Elektrofahrzeuge sowie die effiziente Einbindung der Fahrzeugaufladung in das System sichergestellt werden“.
Art. 33 Abs. 2–4 der Richtlinie enthält ein Eigentums- und Tätigkeitsverbot für Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Hinblick auf Ladepunkte von Elektrofahrzeugen. Im Zuge dessen wurde das EnWG 2021 novelliert und die Erfordernisse des Art. 33 der Richtlinie durch die Einführung des § 7c EnWG in nationales Recht umgesetzt.
Den Betreibern von Elektrizitätsverteilernetzen wird nun in § 7c Abs. 1 Satz 1 EnWG verboten, Eigentümer von Ladepunkten für Elektromobile zu sein oder solche Ladepunkte zu entwickeln, zu verwalten oder zu betreiben (sog. Entflechtungsgebot).
Eigentümer an einem Ladepunkt im Sinne des Gesetzes kann der Betreiber sowohl durch unmittelbares als auch durch mittelbares Eigentum sein. Eine Umsetzung der Entflechtungsvorschrift durch die Gründung einer Tochtergesellschaft des Elektrizitätsnetzbetreibers ist damit grundsätzlich nicht erlaubt.
Die Unzulässigkeit der Entflechtung in eine Tochtergesellschaft gilt jedoch nach aktueller Auslegung der BNetzA nicht für Stromnetzbetreiber mit unter 100.000 Netzkunden. Hier überschneidet sich jedoch das gesellschaftsrechtliche Entflechtungsgebot aus § 7c EnWG mit der weiterhin bestehenden Ausnahme für die operationelle Entflechtung für sogenannte De-minimis-Netzbetreiber, § 7a Abs. 7 EnWG. Diese Ausnahme gilt weiterhin; für De-minimis-Netzbetreiber gelten daher nur die spezielleren Entflechtungsregeln des § 7c EnWG (Eigentum und im operationellen Bereich nur „entwickeln, verwalten, betreiben“). In welchem Beherrschungsverhältnis die Gesellschaft, die das Eigentum an den Ladepunkten hält und diese betreibt, zum Netzbetreiber steht, ist für diese kleinen Netzbetreiber frei bestimmbar.
Ausnahmen vom Verbot des § 7c Abs. 1 Satz 1 EnWG
Eine Ausnahme von dem in § 7c Abs. 1 Satz 1 EnWG statuierten Eigentums- und Tätigkeitsverbot gilt für private Ladepunkte, die für den Eigenverbrauch des Netzbetreibers bestimmt sind, § 7 Abs. 1 Satz 2 EnWG. Hinsichtlich der Abgrenzung zu öffentlichen Ladepunkten wird dabei auf deren Definition im Sinne von § 2 Nr. 5 der Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für elektrisch betriebene Fahrzeuge 1 (Ladesäulenverordnung, kurz LSV) verwiesen. Danach ist ein Ladepunkt grundsätzlich dann öffentlich zugänglich, wenn der zugehörige Parkplatz von einer unbestimmten Personengruppe befahren werden kann. Einschränkungen sind praktisch durch anderslautende Beschilderungen denkbar. Eine Anmeldung oder Registrierung allein reicht nicht aus, um den Personenkreis zu definieren.
Eine weitere Befreiung vom grundsätzlichen Verbot des § 7c Abs. 1 EnWG ist in Abs. 2 vorgesehen. Dafür erforderlich ist ein Fall regionalen Marktversagens, der im Zuge eines nicht erfolgreichen Ausschreibungsverfahrens durch eine kommunale Gebietskörperschaft festzustellen ist. Solch ein Fall wird angenommen, wenn nach der Ausschreibung kein anderer Bieter als der örtliche Netzbetreiber bereit ist, ein Angebot für die Bereitstellung der Ladepunkte in dem betroffenen Netzgebiet abzugeben. Solche Fälle liegen derzeit nicht vor.
§ 7c Abs. 3 EnWG enthält eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), die Anforderungen an das Ausschreibungsverfahren – im Zuge einer Rechtsverordnung nach § 7c Abs. 3 EnWG – weiter zu konkretisieren. Von dieser Ermächtigung wurde noch kein Gebrauch gemacht, eine hierauf bezogene Ausnahme besteht daher nicht.
Was bedeutet dies für die Praxis?
Alle Stromnetzbetreiber, die Eigentümer von Ladepunkten sind oder diese betreiben, müssen nun also handeln, auch bisher gesellschaftsrechtlich nicht entflochtene Elektrizitätsverteilernetzbetreiber (De-minimis-Unternehmen). Für diese gestaltet sich, insbesondere mit Blick auf deren Größe, die Umsetzung des § 7c Abs. 1 EnWG neu und komplex.
Sofern keine der vorgenannten Ausnahmeregelungen greift und auch – wie bisher nirgendwo festgestellt – kein Fall regionalen Marktversagens vorliegt, sollte spätestens jetzt unverzüglich mit der Umsetzung der notwendigen organisatorischen Änderungen begonnen werden. Die Entflechtung muss bis zum 31.12.2024 erfolgen. Sowohl die Genehmigungsfiktion als auch der weitere Aufschub der Umsetzungsfrist für De-minimis-Unternehmen nach § 118 Abs. 34 EnWG enden dann.
Für betroffene Unternehmen bedeutet dies, dass die Ladeinfrastruktur sowie die ihr zuzuordnenden Vermögensgegenstände (gemeinsam vereinfacht „die Ladeinfrastruktur“) vom übrigen Netzbetrieb getrennt werden müssen. Eine Verpachtung der Ladeinfrastruktur und/oder eine Übertragung der Betriebsführung allein ist für eine wirksame Entflechtung nicht ausreichend. Es ist eine Herausforderung, im Einzelfall für die Trennung der Ladeinfrastruktur vom übrigen Netzbetrieb den passenden Übertragungsweg zu finden. Gesellschaftsrechtlich gibt es zwei Möglichkeiten zur Übertragung von Rechtsgütern und Vermögenspositionen: im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) oder regulär im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Beispiele für eine Entflechtung kraft Einzelrechtsnachfolge sind etwa der Verkauf oder die Einlage der Ladeinfrastruktur an bzw. in eine Tochtergesellschaft des Elektrizitätsverteilernetzbetreibers. Im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge ist allerdings zu bedenken, dass, sollten in der Ladeinfrastruktur auch Vertragsbeziehungen enthalten sein, sämtliche Vertragspartner oder sonstige beteiligte Dritte der Übertragung des Rechtsverhältnisses explizit zustimmen müssen. In zeitlicher und auch organisatorischer Hinsicht dürfte die Einholung der entsprechenden Zustimmungen noch nicht entflochtene Elektrizitätsverteilernetzbetreiber vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Hier bietet eine Übertragung nach dem UmwG durch die gesetzlich vorgesehene Gesamtrechtsnachfolge erhebliche Vorteile. Zu denken ist hier insbesondere an eine Ausgliederung, alternativ je nach Struktur eine Abspaltung, § 123 Abs. 2 bzw. 3 UmwG. Beides sind Vorgänge, bei denen ein Teil des Vermögens eines bestehenden Unternehmens auf ein anderes Unternehmen übertragen wird. Die Ausgliederung/Abspaltung kann zur Neugründung eines Unternehmens oder zur Aufnahme in ein bereits bestehendes Unternehmen erfolgen. Die übertragenen Vermögenspositionen (Vermögenswerte, aber ggf. auch Verbindlichkeiten und Verträge) gehen dabei per Gesetz als Ganzes auf den übernehmenden Rechtsträger über, ohne dass es einer Zustimmung von Vertragspartnern oder sonstigen Dritten bedarf. Vertragspartner/Dritte sind nach dem Vorgang nur der Form halber zu informieren. Insbesondere wenn Fördermittel, Genehmigungen und Kundenverträge im Zusammenhang mit den Ladesäulen übertragen werden sollen, ist die Gesamtrechtsnachfolge hilfreich, um den Prozess effizient und ressourcenschonend zu gestalten. Dies steht im Gegensatz zur Einzelrechtsnachfolge, bei der jede einzelne Position bzw. Verpflichtung oder Verbindlichkeit separat übertragen werden muss. Zu beachten ist allerdings, dass bei der Ausgliederung/Abspaltung eine Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers zugrunde zu legen ist, die auf dem Stichtag der Ausgliederung/Abspaltung basiert. Sie muss einen Anhang und einen Lagebericht enthalten, die zusammen mit der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung den Jahresabschluss bilden. Für die Ausgliederungsbilanz gelten also die gleichen Maßgaben wir für den regulären Jahresabschluss. Bei Prüfungspflicht des Unternehmens müssen die genannten Unterlagen zudem ordnungsgemäß geprüft, festgestellt, unterzeichnet und offengelegt werden. Daher bietet es sich an, für die Ausgliederung/Abspaltung die reguläre Jahresabschlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zu verwenden. Dies ist auch mit der Einschränkung zulässig, dass die einer Ausgliederung/Abspaltung beigefügte Bilanz nicht älter als acht Monate vor der Anmeldung der Ausgliederung/Abspaltung beim Handelsregister sein darf. Ist das Geschäftsjahr der übertragenden Gesellschaft also das Kalenderjahr, müsste eine Zwischenbilanz für den übertragenden Rechtsträger aufgestellt werden, um die Frist bis zum 01.01.2025 noch wahren zu können.
Was ist für nicht entflochtene Elektrizitätsverteilernetzbetreiber genau zu tun?
Für eine reibungslose und sichere Übertragung der Ladeinfrastruktur sollten noch nicht entflochtene Elektrizitätsverteilernetzbetreiber insbesondere folgende Punkte prüfen und ggf. gemeinsam mit ihren Beratern entsprechende Umsetzungsschritte einleiten:
- Ermittlung und Feststellung, ob auf das betroffene Unternehmen die Kriterien der De-minimis-Unternehmen zutreffen
- Entscheidung über den geeigneten Übertragungsweg (Einzelrechtsnachfolge oder Gesamtrechtsnachfolge), insbesondere unter Berücksichtigung des Vorliegens/Nichtvorliegens der Kriterien eines De-minimis-Unternehmens (hier zu beachten: Ausnahme vom Verbot des § 7c Abs. 1 Satz 1 EnWG)
- Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer bezüglich der Erstellung einer Zwischenbilanz vor dem 01.01.2025, falls Gesamtrechtsnachfolge (sowohl bei Ausgliederung als auch bei Abspaltung) anstrebt wird
- Erstellung einer Liste aller Vermögensgegenstände, die Ladepunkte sind oder damit eng zusammenhängen (dazu zählt ggf. auch Personal)
- Prüfung der Verträge auf das Vorhandensein von Zustimmungserfordernissen/Zustimmungsvorbehalten Dritter, Informationsverpflichtungen sowie Sonderkündigungsrechten bei Übertragung von Vermögensgegenständen (auch bei Gesamtrechtsnachfolge)
- Sicherstellung, dass alle relevanten Vermögensgegenstände in die separate Gesellschaft überführt werden, ohne schädliche Positionen gemäß § 7c Abs. 1 EnWG zurückzulassen, dass also die übertragenen Vermögensgegenstände den Bereich Ladeinfrastruktur vollständig abbilden und keine Positionen zurückbleiben