Hintergrund
Das EU-Emissionshandelssystem ist das zentrale Instrument der EU zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Seit seiner Einführung 2005 hat es sich kontinuierlich weiterentwickelt, um die Ziele des Klimaschutzes wirksamer zu erreichen.
In der ersten Phase (2005–2007) richtete sich das EU ETS auf CO₂-Emissionen aus energieintensiven Sektoren, wobei viele Zertifikate kostenlos vergeben wurden. In der zweiten Phase (2008–2012) wurde die Vergabe kostenloser Zertifikate reduziert und Unternehmen konnten Emissionen durch Maßnahmen in Drittländern kompensieren.
Ab der dritten Phase (2013–2020) gab es ein EU-weites Emissionsbudget und die Zertifikate wurden grundsätzlich versteigert, um eine „Carbon Leakage“ (Verlagerung von treibhausgasemittierenden Industriezweigen in Länder außerhalb der EU, um die strengen europäischen Werte für Treibhausgasemissionen zu umgehen) zu verhindern. Außerdem führte die EU-Kommission eine Marktstabilitätsreserve (MSR) ein, die das Angebot an Zertifikaten je nach Marktsituation reguliert.
In der vierten Phase (2021–2030) sollen Treibhausgasemissionen um 62 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden und der Seeverkehr wurde in das System integriert. Ein Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) verlangt ab 2026, dass für Importwaren der gleichen CO₂-Preis gezahlt wird.
Ab 2027 deckt das neue EU ETS II den Straßenverkehr und den Gebäudesektor ab, mit dem Ziel, die Emissionen bis 2030 um 43 Prozent zu reduzieren. Ein Teil der Einnahmen aus dem EU ETS II fließt in den Klima-Sozialfonds.
Nationale Umsetzung des EU ETS II und das neue TEHG
Am 04.11.2024 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur nationalen Umsetzung des EU ETS II im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) beschlossen. Ursprünglich sollte die erste Lesung des Entwurfs am 08.11.2024 im Bundestag stattfinden, jedoch wurde diese aufgrund des Austritts der FDP aus der Ampel-Koalition verschoben. Der Entwurf regelt künftig Anlagen, Flugzeuge, Schiffe sowie Brenn- und Treibstoffe in einem einheitlichen Gesetz. Er umfasst allgemeine Regeln für alle Beteiligten sowie spezifische Regelungen für einzelne Sektoren. Aufgrund der Vorgaben der Emissionshandelsrichtlinie enthält das Gesetz nur wenige nationale Regelungen zur CO₂-Bepreisung, detaillierte Bestimmungen werden auf EU-Ebene in Beschlüssen und Verordnungen geregelt.
Für die Jahre 2024 bis 2026 sind zusätzlich Änderungen im nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geplant. Der Entwurf geht an einigen Stellen über die EU-Vorgaben hinaus und nutzt den Spielraum, um fossile Brennstoffe in weiteren Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Schienenverkehr und Abfallverbrennung in den Emissionshandel zu integrieren. Auch Anlagen mit sehr geringen CO₂-Emissionen (sogenannte Nullemissionsanlagen) werden emissionshandelspflichtig und die Einbeziehung der Nicht-CO₂-Effekte im Flugverkehr wird nach den Vorgaben der EU-Kommission umgesetzt.
Wer ist zur Teilnahme am EU ETS II verpflichtet?
Laut dem Entwurf des TEHG sollen alle natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften, die als Schuldner der Energiesteuer in bestimmten Fällen definiert sind, zur Teilnahme am EU ETS II verpflichtet werden. Dazu gehören insbesondere Großhändler von Brennstoffen oder Hersteller von Brennstoffen mit Großhandelsvertrieb, die Brennstoffe in Verkehr bringen. Ebenso fallen Unternehmen darunter, die Brennstoffe nach Deutschland importieren, also im Sinne der Energiesteuer einführen. Wenn Dritte Brennstoffe in einem Lager nach § 7 Abs. 4 Satz 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) einlagern, wird der Einlagerer anstelle des Steuerlagerinhabers als „Verantwortlicher“ betrachtet. Daher sind die meisten BEHG-pflichtigen Unternehmen auch Verpflichtete im EU ETS II.
Nicht erfasst vom EU ETS II sind hingegen BEHG-pflichtige Verwender steuerfreier Kohle außerhalb des EU ETS I sowie Betreiber von Abfallverbrennungsanlagen. Für Betreiber von Siedlungsabfallverbrennungsanlagen besteht jedoch ab 2024 die Pflicht, die Emissionen ihrer Anlagen im EU ETS I zu melden.
Funktionsweise des EU ETS II
Im Gegensatz zum EU ETS I, das auf den Betreiber von Anlagen setzt, richtet sich das EU ETS II an die Lieferanten von Kraftstoffen (z. B. Brennstoffhändler und Gaslieferanten). Diese können gestiegene Kosten durch CO₂-Bepreisung an Endverbraucher weitergeben, um den Umstieg auf emissionsfreie Technologien zu fördern. Lieferanten, die bereits einer nationalen CO₂-Steuer unterliegen, können bis 2030 von der Zertifikatsabgabe befreit werden. Ein Klima-Sozialfonds soll einkommensschwache Haushalte und Kleinstunternehmen zwischen 2026 und 2032 unterstützen. Das EU ETS II umfasst alle energiesteuerpflichtigen Brennstoffe, wobei mehr Brennstoffe wie etwa Petrolkoks einbezogen werden. Es betrifft speziell den Brennstoffverbrauch in den Sektoren Gebäude, Straßenverkehr und etwa Energiewirtschaft und Baugewerbe. Ausgenommen sind Tätigkeiten, die unter das EU ETS I fallen, wie Luft- und Seeverkehr. Ein „Opt-in“ könnte künftig weitere Sektoren einbeziehen.
Welche Pflichten haben Verantwortliche im ETS II ab 2024?
Ab 2024 müssen Verantwortliche im EU ETS II einen Überwachungsplan einreichen, der die Grundlage für die Emissionsüberwachung bildet. Der erste Plan muss für das Jahr 2025 eingereicht werden, gleichzeitig mit dem Antrag auf Emissionsgenehmigung. Die genaue Frist für die Einreichung wird von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) bekannt gegeben. Zudem müssen Verantwortliche bis zum 30. April eines jeden Jahres einen Emissionsbericht für das Vorjahr einreichen; der erste Bericht für 2024 muss also bis April 2025 abgegeben werden. Dieser erste Bericht basiert auf den historischen Emissionen des Jahres 2024 und wird noch nicht verifiziert; die Verifizierung erfolgt ab 2025.
Ein detaillierter Leitfaden zur Erstellung des Überwachungsplans wird im Formular-Management-System bereitgestellt. Um doppelte Datenerfassungen zu vermeiden, wird die Datenerfassung für das EU ETS II auf der Struktur des nationalen Emissionshandelsystems (nEHS) basieren. Bis 2026 bleiben jedoch die Berichts- und Abgabepflichten im nEHS weiterhin bestehen. Außerdem müssen Unternehmen die geänderten Abgabefristen im neuen TEHG beachten, da der Emissionsbericht komplexer wird als im BEHG. In den kommenden Jahren gelten das BEHG und das TEHG parallel, was bedeutet, dass Unternehmen sowohl für 2024 als auch für 2025 Emissionsberichte abgeben müssen, mit entsprechenden Bußgeldern bei Nichtbeachtung. (Daher Achtung: Doppelberichtserstattung!)
Änderung und Festlegung des Entwurfs der Bundesregierung
Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass Feststellungsbescheide zur Emissionshandelspflicht nicht auf die geänderte Rechtslage des TEHG übertragen werden. Unternehmen müssen sich selbstständig an die Behörden wenden, um ihre Emissionshandelspflicht zu klären, was eine Neuvergabe von Bescheiden zur Folge haben kann. Zudem sollen Biomasseanlagen, die mehr als 95 Prozent nachhaltige Biomasse verbrennen, künftig nicht mehr unter die Berichtspflicht des EU ETS I fallen, aber einige bislang nicht erfasste Anlagen sollen den TEHG-Pflichten unterworfen werden. Siedlungsabfallverbrennungsanlagen sollen dem EU ETS unterliegen, wodurch die Ausnahmebestimmung entfällt. Für die Abgabepflicht und die Zuteilung von Emissionsberechtigungen wird ein Opt-in-Verfahren eingeführt, das bis zum 01.01.2027 von der Europäischen Kommission genehmigt werden muss.
Kritik
Derzeit ist der nationale Emissionshandel für Gebäude und Verkehr eher symbolisch, da keine echten Marktpreise entstehen und stattdessen Festpreise festgelegt wurden. Zudem gibt es keine Obergrenze für die Zertifikate. Ab 2026 soll jedoch ein Preiskorridor eingeführt werden und ab 2027 ist ein echter Markt geplant. Doch hier ergibt sich eine Schwierigkeit: Ab 2027 wird für diese Sektoren das ETS II umgesetzt, bei dem Zertifikate europaweit gehandelt werden – ohne feste Obergrenze, sondern mit wenigen Steuerungsmechanismen durch die Kommission. Es erscheint daher wenig sinnvoll, 2026 einen rein deutschen Markt zu schaffen, dessen Teilnehmer ein Jahr später wieder ausscheiden. Eine bessere Lösung wäre es, § 10 Abs. 1 und 2 BEHG anzupassen und das Festpreisverfahren beizubehalten, bis das EU-System zum Tragen kommt. Überraschenderweise hat die Bundesregierung jedoch diesen Aspekt in ihrem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Es ist daher dringend nötig, für 2026 eine praktikable Lösung zu finden.