Die Kunst der Konzernreorganisation – eine Unternehmenstransformation
Gerade in der heutigen Zeit ist es unerlässlich, dass Unternehmen flexibel und anpassungsfähig sind. Oft erfordert dies eine strategische Neuausrichtung und eine Optimierung der Gestaltung der Unternehmensstruktur, um die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken oder auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren. Die Anlässe sind vielfältig:
Bei einem Carve-out wird ein Geschäftsteil aus dem bestehenden Konzern etwa im Vorgriff auf eine Transaktion oder einen Börsengang mit dem Ziel herausgelöst, rechtlich und wirtschaftlich unabhängig bestehen zu können (vertieft zu Chancen und Wertsteigerungspotenzial: Strategies for successful corporate separations). Spiegelbildlich ist es im Nachgang zu einer Transaktion wichtig, die Zielgesellschaft und ihre Tochterunternehmen in die bestehende Struktur zu integrieren, um die angestrebten Synergien zu nutzen. Doch auch aus der laufenden Struktur-, Strategie- und Steuerplanung können sich Transformationsgründe ergeben, z. B. eine Minimierung der Compliance-Kosten und des Risikoprofils durch Verkürzung der Gruppenstruktur, SAP-S/4HANA-Implementierung oder Supply-Chain-Management.
Derartige Projekte betreffen neben der Rechtsabteilung stets auch andere Fachabteilungen im Unternehmen und bedürfen einer umfassenden, ganzheitlichen Betrachtung und Zusammenarbeit, um Transaktionsrisiken und die Unterbrechung des laufenden Geschäftsbetriebs zu minimieren. Hinzu kommt, dass die beabsichtigte Wertschöpfung nicht durch Transaktions- und Steuerkosten verwässert werden soll. Die Komplexität dieser Projekte macht es unerlässlich, in jeder Phase einen aktuellen Legal Micro Step Plan zu pflegen. Für die Rechtsabteilung liegt der Schwerpunkt zumeist auf dem Gesellschafts- und Vertragsrecht, aber oft können auch arbeitsrechtliche Aspekte wie z. B. ein etwaiger Betriebsübergang und lokale Alternativen, Mitbestimmungsthemen und betriebliche Altersvorsorgen eigene Workstreams erforderlich machen.
Die meisten Konzerne durchlaufen große Reorganisationsprojekte nur ein oder wenige Male in Jahrzehnten. Sie sind deshalb weder fachlich noch personell darauf eingestellt, für Monate oder gar Jahre (die Vorlaufzeit eines IPO etwa beträgt oft 24 Monate) interne Ressourcen für Planung und Umsetzung abzustellen. Aber auch Rechtsabteilungen mit einschlägigen Erfahrungen können an ihre Grenzen stoßen, wenn es gilt, potenzielle Fallstricke in allen involvierten Ländern frühzeitig zu identifizieren und zu beseitigen, bevor sie Probleme verursachen. Ebenfalls nicht unterschätzt werden sollten Bedeutung, Umfang und Detailgrad des Projektmanagements sowie die Koordinierung verschiedener Berater, insbesondere wenn für jede involvierte Jurisdiktion andere Kanzleien tätig werden. Da globale Projekte oft mehrere Zeitzonen umspannen, kann es sich anbieten, die Bearbeitung auf mehrere Teams an unterschiedlichen Orten aufzuteilen.
Ablauf eines Reorganisationsprojekts
An die initiale Idee, dass ein Reorganisationsprojekt für das Unternehmen von Vorteil sein könnte, schließen sich meist die drei Phasen Machbarkeit/Konzept, Detailplanung und Implementierung an. Sie alle erfordern stets multidisziplinäre Betrachtungen und es muss durch detaillierte Abstimmung sichergestellt werden, dass es keinen Schnittstellenverlust zwischen den Disziplinen gibt. Für die Rechtsabteilung bedeutet dies insbesondere Folgendes:
- Machbarkeit/Konzept: Hierzu gehören die Definition der Zielstruktur nebst Analyse der geeigneten Rechtsform für NewCos und die strategische Rechtswahl für bestimmte Transaktionen. Es sollten Meilensteine definiert und potenzielle Roadblocks identifiziert sowie ein belastbarer Zeitplan erstellt werden, der sog. „Long Lead Time“-Punkte wie Gesellschaftsgründungen, behördliche Anzeigen und Genehmigungen oder arbeitsrechtliche Prozesse berücksichtigt.
- Detailplanung: In dieser Phase wird ein Legal Micro Step Plan erstellt, der detailliert alle erforderlichen Dokumente und Schritte abbildet, die für das Projektziel implementiert werden müssen. Ein solcher Plan zeigt Dependenzen zu anderen Fachbereichen auf (z. B. Erfordernis von Bilanzen und ob diese geprüft sein müssen, wann Bewertungen benötigt werden und welchen lokalen rechtlichen Vorgaben diese folgen müssen etc.) und erlaubt es stets, den aktuellen Status nachzuhalten.
- Implementierung: In der letzten Phase geschieht die eigentliche Umsetzung aller geplanten Schritte. Die rechtliche Entwurfsdokumentation wird erstellt und diversen Review-Runden, u. a. mit lokalen Rechts- und Steuerberatern unterzogen, um sicherzustellen, dass lokale Besonderheiten umgesetzt werden. Lokale und globale Unterzeichner und Board-Mitglieder müssen gebrieft werden und Execution Packages der Dokumentation erhalten. Der Versendungs- und Ausfertigungsstatus sollte sorgfältig nachverfolgt werden. Des Weiteren müssen lokale Notartermine, Board-Meetings und Registeranmeldungen organisiert und durchgeführt werden. Hier zahlt sich die Arbeit der beiden vorangegangene Phasen aus, wenn man dank ausführlicher Planung und Vorbereitung den Legal Micro Step Plan „abarbeiten“ und den Projektfortschritt detailliert nachhalten kann.
Für spannende, tiefer gehende Einblicke in alle drei Phasen am Beispiel von Carve-outs dürfen Sie sich auch auf unseren Tax Accelerate – Tax & Legal Newsletter: Artikelreihe Carve-out freuen.
Immer mehr Unternehmen setzen darauf, spezialisierte Berater für unterschiedliche Projektaspekte zu nutzen. In transaktionsnahen Reorganisationen wird so oft zwischen dem M&A Deal oder IPO Counsel und einem global aufgestellten Rechtsberater unterschieden. Letzterer kann dann fokussiert und in enger Abstimmung mit dem Deal/IPO Counsel für alle nicht unmittelbar Share Purchase Agreement-/Asset Purchase Agreement-bezogenen Themen in allen betroffenen Jurisdiktionen tätig werden. Typische Schwerpunkte, die eine lokale Expertise erfordern, finden sich in den folgenden Themenbereichen:
- Strukturplanung
- Gesellschaftsgründungen und Operationalisierung
- Transaktionsumsetzung, Entwurfsdokumentation und Execution-Management
- Vertragsreview und -übertragung
- Vertragsrecht
- arbeitsrechtliche Aspekte
Die Bedeutung von Legal Tech im Projekt
Von 90.000 E-Mails im Outlook-Projektordner über Dokumente, die gleichzeitig von mehreren lokalen Rechtsberatern und Teams geprüft und bearbeitet werden müssen bis zum Nachhalten von Tausenden einzuholenden Unterschriften – sicherlich jeder, der einmal an einem solchen (Groß-)Projekt gearbeitet hat, sieht Bereiche, in denen der Einsatz von Legal Tech massiv zur Risikominimierung und Effizienzsteigerung führen kann. Zunächst einmal ist es wichtig, eine Plattform zu nutzen, die als Single Source of Truth alle Projektdokumente und daten in jeweils aktueller Fassung für die Nutzer vorhält. Idealerweise ist dies aber nicht nur ein simpler Datenraum, sondern das System kann diese Daten im weiteren Verlauf nutzen, z. B. für Projektmanagement, automatisierte Dokumentenerstellung und um benutzerdefinierte Dashboards zu befüllen. Weiterhin sollten alternative Möglichkeiten für eine nahtlose Kommunikation zwischen den Beteiligten auch ohne E-Mail-Verkehr gefunden werden. Dies entlastet zum einen die Inbox, stellt aber darüber hinaus auch sicher, dass relevante Kommentare und Diskussionen direkt mit dem Dokument oder der darunter liegenden Aufgabe verlinkt sind. Hier bietet es sich unter anderem an, den detaillierten Legal Micro Step Plan interaktiv zu gestalten, sodass alle Beteiligten direkt und parallel im relevanten Eintrag arbeiten und kollaborieren können. Für die rechtliche Entwurfsdokumentation sollte selbstverständlich eine Dokumentenautomatisierung als Option zur Verfügung stehen, um globale Templates auszurollen oder die Konsistenz bei gleichzeitiger Verringerung manueller Arbeit zu erhöhen. Ein immer wichtigerer Punkt ist die Integrierung von E-Signature-Funktionen in das genutzte System, zum einen um eine einfache und nahtlose Versendung der Execution Versions zu gewährleisten, zum anderen um ein automatisiertes Nachverfolgen des Unterschriftenstatus zu ermöglichen.
Da Reorganisationen das tägliche Brot unseres speziellen EY Law Reorganisationsteams sind, haben unsere erfahrenen Reorganisationsfachleute die Plattform EY Dynamic Transactions Solution entwickelt, die unsere Erfahrung und unsere erprobten Prozesse in Technologie übersetzt und die oben genannten Punkte aufgreift.
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