Als wichtiger Industriestandort ist Deutschland auf eine leistungsfähige Infrastruktur für den Verkehr auf Schienen, Straßen und Wasserwegen, ohne Engpässe und Staus, angewiesen. Deshalb hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich eingeführt. Wir fassen für Sie nachfolgend das Wichtigste zusammen.
Einführung
Das neue Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich (Genehmigungsbeschleunigungsgesetz, VGenVBG) ist am 29.12.2023 als Teil des dritten Beschleunigungspakets der Bundesregierung in Kraft getreten.
Es soll die Umsetzung wichtiger Verkehrsinfrastrukturprojekte beschleunigen und so zur Modernisierung und Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes in Deutschland beitragen. Gleichzeitig dient das Gesetz der Umsetzung der Europäischen Richtlinie (EU) 2021/1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Das Gesetz sieht im Wesentlichen die folgenden Regelungen vor:
- Beschleunigung von Genehmigungsverfahren insbesondere im Bereich Straßen- und Schienennetz
- Festlegung des „überragenden öffentlichen Interesses“ von priorisierten Schienen- und Straßenprojekten
- Einführung einer einheitlichen Genehmigungsfrist für TEN-Projekte (transeuropäische Netze)
- Digitalisierung verkehrlicher Genehmigungsverfahren.
Hintergrund und Zielsetzung
Der notwendige Ausbau und die Modernisierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur schreiten immer noch relativ langsam voran. Gründe hierfür sind unter anderem lange Genehmigungsverfahren und eine mangelhafte Priorisierung der anzugehenden Projekte.
Mit dem neuen VGenVBG soll nun Abhilfe geschaffen werden. Der Fokus des Gesetzes liegt auf dem Straßenverkehrs- und Schienennetz, aber auch Wasserstraßen, See- und Binnenhäfen sowie Flughäfen sollen entsprechend berücksichtigt werden. Um eine möglichst effiziente Umsetzung dieses Ziels zu gewährleisten, ist ein zentraler Aspekt des VGenVBG die Einstufung bestimmter Projekte als im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegend. Diese Klassifizierung soll ermöglichen, dass solche Projekte eine Priorität bei eventuellen Abwägungsentscheidungen und der Bearbeitung genießen. Insbesondere sollen langwierige und komplizierte Planungs- und Genehmigungsverfahren vermieden werden. Dies betrifft vorrangig Vorhaben, die eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung des nationalen Verkehrsnetzes spielen, wie etwa der Bau, der Ausbau bzw. die Modernisierung bestimmter, gesetzlich festgelegter Schienennetze, Autobahnen und Wasserstraßen.
Die wesentlichen Änderungen im Überblick
Das VGenVBG ist als sogenanntes Änderungsgesetz konzipiert und sieht unter anderem eine Novellierung des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG), des Bundesfernstraßenausbaugesetzes (FStrAbG), des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG), des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG), des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG), des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vor.
Beschleunigter und klimafreundlicher Straßenausbau
Die Änderungen des FStrG durch Art. 1 VGenVBG enthalten unter anderem Regelungen, wonach unter bestimmten Bedingungen die Genehmigungspflicht für Ersatzneubauten von Brücken auf Bundesfernstraßen, die im Zuge einer Sanierung etwa zur Auflösung von Verkehrsengpässen und Staus erweitert werden sollen, gänzlich entfällt (§ 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 FStrG n. F.). Das VGenVBG regelt zudem den Bau von Windenergie- und Solaranlagen an Bundesfernstraßen (§ 9 Abs. 2b und 2c FStrG n. F.).
Art. 2 VGenVBG ändert das FStrAbG dahin gehend, dass der Bau oder die Änderung einer Bundesautobahn, die in der neuen Anlage 2 zum FStrAbG abschließend aufgeführt ist, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt. Alternativ kann im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage 1 zum FStrAbG) ein vordringlicher Bedarf für das Projekt mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“ festgestellt werden.
Im UVPG wird nach Art. 10 VGenVBG geregelt, dass für den Ersatzneubau von Brücken an Bundes(fern)straßen (§ 14c UVPG n. F.) sowie für den Bau von Radwegen an einer Bundesstraße (§ 14d UVPG n. F.) unter bestimmten Voraussetzungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung entfällt, sodass diese schneller genehmigt werden können.
Beschleunigter Schienenausbau
Die Änderungen des AEG durch Art. 3 VGenVBG sollen den Ausbau des Schienennetzes beschleunigen. Dazu werden unter anderem als besonders wichtig erachtete Schienenprojekte als im „überragenden öffentlichen Interesse“ eingestuft (s. etwa § 23 Abs. 1 AEG n. F.). Zudem kann die Planfeststellungsbehörde in bestimmten Fällen bei einer nachträglichen Änderung der prognostizierten Verkehrsentwicklung eine Entscheidung über planfestgestellte Verkehrsanlagen vorbehaltlich der Entscheidung zur Lärmvorsorge treffen und damit das Genehmigungsverfahren insofern zu Ende führen (§ 18g Abs. 2 und 3 AEG n. F.).
Für das BSWAG wird durch Art. 4 VGenVBG festgelegt, dass der Bau oder die Änderung einer Bundesschienenstrecke, die bereits fest deponiert ist oder für die der Bedarfsplan (Anlage 1 zum BSWAG) einen vordringlichen Bedarf feststellt, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegen. Gleiches gilt für Vorhaben, die in § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–4 BSWAG aufgezählt sind.
Genehmigungsfrist für TEN-Verkehrsprojekte
Für Verkehrsprojekte in allen Bereichen, namentlich Straße, Schiene, Wasserstraßen, Häfen und Luftverkehr, die zum Kernnetz der TEN gehören, wird erstmals eine Frist von vier Jahren eingeführt, innerhalb derer das Genehmigungsverfahren abzuschließen ist (s. § 17i Abs. 1 FStrG n. F., § 20 Abs. 1 AEG n. F., § 18 Abs. 1 WaStrG n. F., § 10 b Abs. 1 LuftVG n. F., § 70a Abs. 1 WHG n. F.).
Zunehmende Digitalisierung
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Beschleunigung des Infrastrukturausbaus im Verkehrsbereich ist die verstärkte Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsprozesse, zum Beispiel für Straßen- und Schienenprojekte (s. etwa § 17a Abs. 3 Abs. 6 FStrG n. F., § 17b Abs. 3 FStrG n. F., § 18a Abs. 3, Abs. 6 AEG n. F., § 18b Abs. 3 AEG n. F.). Der Genehmigungsprozess kann insofern vom Antrag bis zur Genehmigungsentscheidung online durchgeführt werden.