Mann in der Küche repariert Waschmaschine

Vorläufige Einigung: Weg von der Wegwerfgesellschaft – Recht auf Reparatur

Defekte Geräte wie Handys, Haushaltswaschmaschinen oder Staubsauger landen häufig direkt auf dem Müll. Das Europäische Parlament und der Rat haben sich daher Anfang Februar 2024 vorläufig auf einen Vorschlag der EU-Kommission betreffend Regeln für das Recht auf Reparatur geeinigt. Gemeinsam mit der Ökodesign-Verordnung zielt der Richtlinienvorschlag als Teil des „European Green Deal“ darauf ab, einen Schritt weg von der Wegwerfgesellschaft, hin zu leicht zugänglichen und erschwinglichen Reparaturen zu machen.

  • Mit der geplanten Vollharmonisierung wird insgesamt mehr Transparenz für Verbraucher im Hinblick auf Reparaturmöglichkeiten und ­bedingungen angestrebt.
  • Der Richtlinienvorschlag soll die Lücke zur Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte schließen und Gründe beseitigen, die Menschen davon abhalten, das Produkt nach dem Kauf bei Bedarf reparieren zu lassen.

Bestehende Regelungen aus der Ökodesign-Richtlinie

Schon seit 2021 gibt es in der EU unter dem Dach der Richtlinie 2009/125/EG („Ökodesign-Richtlinie“) in spezifischen Produktverordnungen und ergänzenden Richtlinien Regelungen zur Reparierbarkeit bestimmter Produkte. So müssen Hersteller Reparaturinformationen z. B. auf ihren Websites zur Verfügung stellen, Ersatzteile sind bis zu zehn Jahre vorzuhalten und müssen innerhalb der EU zeitnah geliefert werden. Produkte müssen so gestaltet sein, dass einfache Reparaturen selbst durchgeführt werden können, komplexere Reparaturen sollen für Fachleute erleichtert werden. Ein Recht für Verbraucher auf Reparatur ergibt sich aus der Ökodesign-Richtlinie allerdings nicht.

Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren geht nun einen Schritt weiter und enthält vor allem die im Folgenden dargestellten Regelungen.

Geltungsbereich des Richtlinienvorschlags

Anwendbar soll die Richtlinie für die Reparatur von Waren sein, die von Verbrauchern erworben wurden. Dabei enthält das Regelwerk drei Regelungskomplexe: zunächst Änderungen im allgemeinen Gewährleistungsrecht zwischen Verkäufern und Käufern, des Weiteren Verpflichtungen außerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsrechte sowie Verpflichtungen im Hinblick auf die Ausgestaltung transparenter Reparaturstrukturen.

Grundsätzlich umfasst die Richtlinie alle Waren außer Strom, Wasser und Gas. Für eine der Richtlinie als Anlage II beigefügte, klar definierte Liste von Elektrogeräten gelten zudem strengere und wesentlich konkretere neue Vorschriften, insbesondere die Verpflichtung zur Reparatur.

Verpflichtung zur Reparatur und Informationspflichten

Kerninhalt des Richtlinienvorschlags ist die Verpflichtung der Hersteller, bestimmte Geräte auch außerhalb der Gewährleistungsfrist auf Wunsch des Verbrauchers zu reparieren. Die Reparatur muss dabei nicht kostenlos erfolgen.

Nach derzeitigem Stand gemäß Anhang II von der Reparaturpflicht umfasst ist vor allem sogenannte „Weiße Ware“, also Haushaltswaschmaschinen und -geschirrspüler und Kühlgeräte, ferner Staubsauger und Geräte mit elektronischen Displays, Schweißgeräte, Server und Datenspeicher, Mobiltelefone, Schnurlostelefone und Tablets. Diese Liste kann jedoch durch die EU-Kommission kontinuierlich erweitert werden.

Die Verpflichtung ist abhängig von der faktischen oder rechtlichen Reparierbarkeit des Produkts. Der Hersteller soll von der Verpflichtung zur Reparatur befreit sein, wenn eine Reparatur unmöglich ist, z. B. wenn Waren in einer Weise beschädigt sind, die eine Reparatur technisch unmöglich macht.

Die Regelung soll auch für importierte Waren gelten. Hierbei obliegt die Verpflichtung zur Reparatur dem bevollmächtigten Vertreter des Herstellers in der Europäischen Union oder nachrangig dem Importeur oder Verteiler der Ware.

In Fällen, in denen Hersteller zur Reparatur verpflichtet sind, soll auch eine Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher bestehen. Dadurch soll die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass sich ein Verbraucher für eine Reparatur entscheidet.

Gewährleistungsrecht

Grundsätzlich soll die bisherige Wahlfreiheit des Verbrauchers zwischen Reparatur und Austausch während des Gewährleistungszeitraums bestehen bleiben. Der Verkäufer kann bisher die Reparatur (Nachbesserung) lediglich dann verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

Künftig allerdings müssen Verkäufer, wenn die Kosten für die Ersatzlieferung mindestens den Reparaturkosten entsprechen, die Nachbesserung der Waren vornehmen, um den vertragsgemäßen Zustand der Waren herzustellen. Der Verbraucher kann folglich eine Ersatzlieferung nur dann wählen, wenn sie billiger ist als eine Reparatur.

Ob der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Vorgaben hinausgehen und sie auch für Geschäfte zwischen Unternehmern anwendbar machen wird, bleibt abzuwarten.

Europäisches Formular für Reparaturinformationen

Der Richtlinienvorschlag sieht ferner die Verpflichtung vor, standardisierte Basisinformationen zu den Reparaturbedingungen über ein Formular für Reparaturinformationen zur Verfügung zu stellen. Verbrauchern sollen so ein transparenter Überblick über die wesentlichen Bedingungen von Reparaturdienstleistungen verschiedener Anbieter und eine Vergleichsmöglichkeit geboten werden.

Die Verpflichtung zur Vorlage des Formulars zielt auf alle Reparaturbetriebe ab, die die von dem Richtlinienvorschlag umfassten Reparaturdienstleistungen erbringen werden. Diese Kategorie schließt sowohl Hersteller und Verkäufer als auch Reparaturdienstleister ein, unabhängig von ihrer Beziehung zu Herstellern oder Verkäufern.

Die in dem Formular vorgesehenen Angaben sind verbindlich und umfassen wichtige Aspekte wie den Preis bzw. z. B. Preisobergrenzen, die Verfügbarkeit temporärer Ersatzware, Dauer und Ort der Reparatur sowie die Verfügbarkeit von Zusatzdienstleistungen wie Ausbau, Montage und Transport. Die Informationen müssen leicht zugänglich, klar und verständlich bereitgestellt werden, etwa über die unten dargestellte Online-Plattform. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Verbraucher alle notwendigen Informationen erhält, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Sobald das Formular vorgelegt wurde, sind Änderungen für 30 Tage untersagt, damit Verbraucher ausreichend Zeit für einen umfassenden Vergleich und eine fundierte Entscheidung haben.

Online-Plattform

Ein weiterer Eckpunkt des Richtlinienvorschlags ist die Etablierung einer europäischen Online-Plattform für Reparaturen und überholte Waren, wodurch es für Verbraucher leichter ein soll, Reparaturbetriebe und Verkäufer überholter Ware zu finden. Die Einführung dieser Plattform wird für alle Mitgliedstaaten verpflichtend sein. Die Registrierung von Reparaturbetrieben, Verkäufern überholter Waren und Käufern fehlerhafter Waren zur Überholung bleibt freiwillig.

Die Online-Plattform soll zudem Funktionen enthalten, die Verbrauchern die Möglichkeit geben, Reparaturleistungen zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Ähnlich wie bei einer Online-Suchmaschine sollen auf der Online-Plattform Suchfunktionen für Waren, den Standort von Reparaturdiensten und für die Reparaturbedingungen zur Verfügung stehen. Darunter fallen Aspekte wie die Dauer der Reparatur, die Verfügbarkeit vorübergehender Ersatzwaren, angebotene Zusatzleistungen und Qualitätsstandards der Reparaturbetriebe.

Darüber hinaus soll das Europäische Formular für Reparaturinformationen direkt über die Plattform für den Verbraucher abrufbar sein. Dies stellt sicher, dass Verbraucher auf einfache Weise alle notwendigen Informationen einholen können, um fundierte Entscheidungen hinsichtlich der Reparaturdienstleistungen zu treffen.

Ausblick

Der Richtlinienvorschlag ist ein weiterer Schritt, um die Unmengen des in der EU anfallenden Elektroschrotts zu verringern, mit dem langfristigen Ziel der Etablierung einer „Circular Economy“.

Ausgehend von der getroffenen politischen Einigung wird die EU nun einen entsprechenden Richtlinientext ausarbeiten. Dieser muss anschließend sowohl vom Europäischen Parlament als auch vom Europäischen Rat verabschiedet und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten wird binnen 24 Monaten nach dem Inkrafttreten der Richtlinie erfolgen müssen.

Hersteller sowie ggf. deren Bevollmächtigte, Importeure und Verteiler sind gut beraten, sich schon jetzt auf die Richtlinie einzustellen. Insbesondere die Verpflichtung zur Reparatur bedarf mitunter einer langwierigen Etablierung entsprechender Strukturen, sei es durch Outsourcing oder durch Schaffung eigener Reparatureinheiten, was einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf erfordert. Auch die Grundlagen für die Verträge mit Kunden und Händlern (z. B. AGB, Reparaturinformationen, Händlerverträge) müssen rechtzeitig geschaffen werden.

Kontaktperson: Tanja Reinhoffer