I. Die EU-Verpackungsverordnung
Die neue PPWR wurde jüngst im Amtsblatt der EU veröffentlicht und wird am 11.02.2025 in Kraft treten. Übergeordnetes Ziel der PPWR ist es, gegen ständig wachsende Abfallmengen vorzugehen, die Binnenmarktvorschriften zu vereinheitlichen und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Um dies zu erreichen, sieht die Verordnung verschiedene Bestimmungen mit unterschiedlichen Ansätzen vor.
1. Mindestrezyklatanteile bei Kunststoffverpackungen
Einem der zentralen Ansätze der PPWR entsprechend wird für bestimmte Kunststoffverpackungen ein Mindestrezyklatanteil vorgeschrieben. Soweit Kunststoffverpackungen hiervon betroffen sind, müssen sie einen Mindestanteil an recyceltem Kunststoff aus Verbraucherabfällen („post consumer scrap“) enthalten. Die Höhe des Anteils bestimmt sich im Einzelnen nach Verpackungstyp und konkretem Material. Sofern die PPWR keine spezifische Vorgabe enthält, gilt ein Mindestrezyklatanteil von 35 Prozent, der nach einer Übergangfrist nochmals steigt: auf 65 Prozent im Jahr 2040.
Dauerhaft von den Anforderungen eines Mindestrezyklatanteils ausgenommen sind u. a. bestimmte Verpackungen aus dem Arzneimittelbereich (z. B. Primärverpackungen von Arzneimitteln) oder auch kompostierbare Kunststoffverpackungen.
2. Verpackungsdesign und Verpackungsverbote
Die PPWR enthält weiter verschiedene Vorgaben zum Verpackungsdesign, etwa Nachhaltigkeits- und Kennzeichnungsanforderungen. Hervorzuheben ist hier, dass der sogenannte Leerraum bei Um- und Transportverpackungen beschränkt wird. Dieser darf im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Um- und Transportverpackungen nur noch maximal 50 Prozent betragen. Genauere Vorgaben zur Berechnung werden durch die EU-Kommission in einem gesonderten Rechtsakt erfolgen.
Die Verordnung sieht auch ausdrückliche Verbote vor. Betroffen sind hiervon zum einen sechs Verpackungsformate, die in Anhang V der PPWR gelistet sind. Konkret handelt es sich um sogenannte sehr leichte Kunststofftragetaschen, um Einwegkunststoffverpackungen für bestimmte Verwendungen im Lebensmittelbereich (z. B. für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse) und um Einwegverpackungen im Beherbergungssektor (z. B. für Toilettenartikel für eine einzelne Buchung). Zum anderen ergänzt die PPWR auch den Verbotskatalog der EU-Einwegkunststoffprodukte-Richtlinie (Single-Use Plastics Directive, kurz SUPD). Verboten werden insbesondere Verpackungen aus bestimmten Kunststoffen aus dem To-go-Bereich.
3. Fristen und notwendige ergänzende Rechtssetzung
Die PPWR tritt am 11.02.2025 in Kraft, gilt im Wesentlichen aber erst ab dem 12.08.2026. Für einzelne Bestimmungen gelten noch längere Fristen.
Um überhaupt eine Handhabbarkeit für die Praxis zu erreichen, muss die EU-Kommission in Bezug auf einzelne Regelungen noch ergänzende Bestimmungen erlassen. Wo dies der Fall ist, sieht die PPWR ausdrücklich vor, dass die Regelungen erst dann wirksam werden, wenn die notwendigen Erläuterungen vorliegen. Beispiel: Der Mindestrezyklatanteil bei Kunststoffverpackungen ist grundsätzlich ab dem 01.01.2030 verbindlich. Dies setzt allerdings voraus, dass die EU-Kommission die Methode zur Berechnung des Prozentsatzes bis zum 31.12.2026 in einem gesonderten Rechtsakt festlegt. Sollte dies nicht der Fall sein, werden die Vorgaben zum Mindestrezyklatanteil erst drei Jahre nach Erlass der ergänzenden Rechtsakte durch die Kommission bindend.
Den Erlass entsprechender Rechtsakte wie auch die Anpassung des nationalen Verpackungsgesetzes an die PPWR gilt es daher in den nächsten Monaten unbedingt zu beobachten.
II. Lokale Verpackungssteuern sind verfassungsgemäß
Gleichzeitig treten neue Möglichkeiten zur Minderung des Verpackungsaufkommens auf nationaler Ebene in den Fokus. Das BVerfG hat in einem im Januar veröffentlichten Beschluss (BVerfG, Beschluss vom 27.11.2024 – Az.: 1 BvR 1726/23) entschieden, dass Kommunen aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht gehindert sind, eine lokale Verpackungssteuer zu erheben. Nachdem zuvor bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 24.05.2023 – Az.: BVerwG 9 CN 1.22) keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine solche lokale Steuer hatte, ist nun für Kommunen der Weg zur Einführung individueller lokaler Verpackungssteuern frei.
1. Die Verpackungssteuer in Tübingen als Ausgangspunkt
Das BVerfG war konkret mit der Verpackungssteuer der Stadt Tübingen befasst. Die Stadt Tübingen erhebt seit 2022 in ihrem Gemeindegebiet Steuern auf Einwegverpackungen. Ziel dieser Steuer ist es, die Vermüllung im Stadtgebiet durch To-go-Verpackungen zu verringern und die Verwendung von Mehrwegsystemen zu fördern. Beispielsweise fallen für Kaffeebecher und Einweggeschirr 50 Cent und für Einwegbesteck 20 Cent an. Die Betreiberin einer Fast-Food-Kette im Gemeindegebiet sah sich dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde. Sie hatte hierzu argumentiert, die Steuer führe im niedrigpreisigen Speisen- und Getränkesegment zu einem faktischen Verbot von Einwegverpackungen, da die Abwälzung der Steuer auf die Verbraucher nicht realistisch sei. Außerdem fehle es an der Gesetzgebungskompetenz und die Steuer stehe mit bundesrechtlichen Regelungen im Widerspruch.
2. Was sind die tragenden Aspekte der Entscheidung?
Diesem Verständnis ist das BVerfG nicht gefolgt. Es hat vielmehr entschieden, dass die lokale Verpackungssteuer nicht zu einem Widerspruch oder einer Doppelbelastung im Gesamtsystem der verpackungsrechtlichen Regulatorik führt. Es argumentiert, dass die Lenkungswirkung der lokalen Verpackungssteuer mit derjenigen diverser Regelungen auf europäischer und Bundesebene wie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, des Einwegkunststofffondsgesetzes oder der EU-Verpackungsverordnung vergleichbar sei. Die einzelnen Instrumente des Gesamtsystems ergänzen sich dabei gegenseitig.
Die Tübinger Steuer verletze die klagende Fast-Food-Ketten-Betreiberin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das BVerfG hat klargestellt: Die in der Tübinger Satzung vorgesehenen Alternativen wie beispielsweise ein Mehrwegsystem oder die Rücknahme der Verpackungen rechtfertigen den Eingriff.
Weiter äußerte sich das BVerfG zur Gesetzgebungskompetenz und dem Merkmal der „Örtlichkeit“ i. S. d. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Auch wenn die Steuer bei Speisen und Getränken anfalle, die zur Mitnahme vorgesehen seien (§ 1 Abs. 1 VStS), sei eine „Örtlichkeit“ gegeben. Voraussetzung sei, dass der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet stattfinde. Zwar komme dem Normgeber dabei insgesamt ein Einschätzungsspielraum zu; ob ein Verzehr typischerweise im Gemeindegebiet erfolge, ergebe sich aber vor allem aus der Beschaffenheit der Ware und den örtlichen Gegebenheiten (Versorgungsstruktur, Gemeindegröße). So verweise die Verpackungssteuersatzung in Tübingen beispielhaft auf warme Speisen oder Eis von der Eisdiele. Im Gegensatz zu fest verschlossenen oder fabrikmäßig verpackten Speisen wiesen diese eine kurze Haltbarkeit auf und seien typischerweise zum sofortigen Verzehr bestimmt. Zusätzlich müsse die Ware zumindest anhand konkreter Kriterien (Temperatur, Frische, Konsistenz o. Ä.) bestimmbar sein. Atypische Fälle, in denen der Verzehr außerhalb des Gemeindegebiets stattfinde, stünden dem nicht entgegen.
3. Die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung hat weit über Tübingen hinaus Relevanz, da sie Rechtssicherheit darüber schafft, ob Kommunen lokale Verpackungssteuern erheben dürfen. Bereits vor der Entscheidung des BVerfG haben verschiedenen Kommunen (u. a. Konstanz und Gießen) signalisiert, dass sie – in Abhängigkeit von der Entscheidung – die Einführung einer solchen Steuer erwägen. Es steht zu erwarten, dass diese Kommunen ihre Pläne nun weiter konkretisieren werden. Die Entscheidung könnte neuen Schwung in die Debatte um die Einführung einer einheitlichen Verpackungs-/Plastiksteuer auf Bundesebene bringen.