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Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens und Veröffentlichung einer Konsultationsfassung im Juli 2019 ist seit dem 22. April 2020 auf der BaFin-Website die finale Fassung des neuen „Modul C“ des aktualisierten Emittentenleitfadens verfügbar. Dieses umfasst die Regelungsbereiche der MAR und ist damit eine äußerst wertvolle Hilfestellung für börsennotierte Unternehmen und deren Rechtsberater.
Im Folgenden werden die wesentlichen Änderungen des Moduls C gegenüber der 4. Auflage des Emittentenleitfadens von 2013 für den Bereich der Ad-hoc-Publizität skizziert:
Zwischenschritte als Insiderinformationen
Die MAR definiert Insiderinformationen als „nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen" (siehe Art. 7 Abs. 1 lit. a MAR). In Kodifizierung der „Geltl“-Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 28.06.2012 – Rs. C-19/11) sieht die MAR vor, dass bei gestreckten Sachverhalten neben dem jeweiligen Endereignis auch die Zwischenschritte eines Entscheidungsprozesses als Insiderinformationen einzustufen sein können (vgl. Art. 7 Abs. 2 und 3 MAR).
Aus Sicht der BaFin ist hinsichtlich der Ad-hoc-Pflichtigkeit solcher Zwischenschritte zu differenzieren, (i) ob der jeweilige Zwischenschritt „aus sich heraus“ als Insiderinformation zu qualifizieren ist oder (ii) ob die Kursrelevanz des Zwischenschritts vom zukünftigen Endergebnis abzuleiten ist. Im erstgenannten Fall – etwa die dem „Geltl“-Fall zugrunde liegende Information über die Absicht des Vorstandsvorsitzenden, im Einverständnis mit dem Aufsichtsrat sein Amt niederzulegen – weist der Zwischenschritt eine eigenständige, von der Eintrittswahrscheinlichkeit des noch ungewissen Endergebnisses unabhängige insiderrechtliche Relevanz auf und unterliegt damit der Ad-hoc-Publizität. Im zweitgenannten Fall bestimmt sich die insiderrechtliche Relevanz der Information über einen Zwischenschritt dagegen in erster Linie nach dem jeweiligen Kursbeeinflussungspotenzial. Das Kursbeeinflussungspotenzial ist umso eher zu bejahen, je gewichtiger und wahrscheinlicher das Endergebnis ist und je eher ein verständiger Anleger bereits diesen Zwischenschritt einer Anlageentscheidung zugrunde legen würde. So soll es etwa in einem M&A-Kontext (jedenfalls aus der Sicht eines Anlegers der Bietergesellschaft) typischerweise noch am Kursbeeinflussungspotenzial fehlen, wenn sich die Information lediglich auf die Entscheidung, an einem Bieterverfahren teilzunehmen, oder auf den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung bezieht. Demgegenüber ist die BaFin im Fall einer Übernahme der Ansicht, dass wohlmöglich bereits die Information über eine grundsätzliche Einigung betreffend wichtige Eckpunkte von einem verständigen Anleger für Anlageentscheidungen genutzt werden könnte, auch wenn die eigentlichen Vertragsverhandlungen erst noch folgen und noch nicht alle Einzelheiten (z. B. der Angebotspreis) feststehen
Die BaFin weist ferner darauf hin, dass nach ihrer Auffassung nur bereits verwirklichte Zwischenschritte als potenzielle Insiderinformationen in Betracht kommen. Nicht ausreichend soll hiernach sein, dass ein (noch nicht eingetretener) Zwischenschritt lediglich als überwiegend wahrscheinlich erscheint. Allerdings bleibt offen, wann aus Sicht der BaFin ein Zwischenschritt „verwirklicht“ ist. Hinzu kommt, dass nach Wortlaut und Systematik der vorgenannten MAR-Vorschriften bereits ein noch nicht eingetretener, aber überwiegend wahrscheinlicher Zwischenschritt für die Annahme einer Insiderinformation ausreichen könnte. Emittenten sollten insofern bereits in diesem Frühstadium eine mögliche insiderrechtliche Relevanz sorgfältig prüfen. Generell ist es börsennotierten Unternehmen zu empfehlen, den typischen Ablauf von Entscheidungsprozessen zu analysieren, um im jeweiligen Einzelfall besser abschätzen zu können, zu welchem Zeitpunkt möglicherweise bereits eine Insiderinformation anzunehmen ist.
Insiderrechtliche Relevanz von (unterjährigen) Geschäftszahlen und Prognosen
Die BaFin beurteilt das Kursbeeinflussungspotenzial von Geschäftszahlen anhand eines dreistufigen Tests. Hiernach ist das Kursbeeinflussungspotenzial zu bejahen, wenn die aktuellen Geschäftszahlen (i) von der eigenen, bereits veröffentlichten Prognose, (ii) bei Fehlen einer solchen Prognose von einer quantitativ nachvollziehbaren Markterwartung (vorzugsweise anhand des Mittelwerts der zu dem jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Konsensschätzungen der Analysten zu ermitteln) oder (iii) soweit wiederum eine solche Markterwartung nicht feststellbar ist, von den Geschäftszahlen des entsprechenden Vorjahreszeitraums abweichen.
Hat der Emittent im Rahmen seiner veröffentlichten Prognose einen Korridor für künftige Geschäftszahlen angegeben, ist ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial in der Regel dann zu bejahen, wenn die tatsächlichen Geschäftszahlen außerhalb dieses Korridors liegen. Für Geschäftszahlen, die innerhalb des Korridors liegen, gilt laut BaFin folgender Grundsatz: Je enger der Korridor gefasst ist, desto eher soll ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial ausscheiden. Bei einem weit gefassten Korridor hält die BaFin ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial indes bereits dann für möglich, wenn die Geschäftszahlen zwar noch in diesem Korridor, jedoch an dessen oberen oder unteren Rand liegen.
Der Emittentenleitfaden enthält jedoch auch weiterhin keine Angaben dazu, ab welcher prozentualen Abweichung von einer Prognose oder Markterwartung aus BaFin-Sicht die erforderliche Kursrelevanz zu bejahen ist.
Aufschubentscheidungen
Wenngleich Insiderinformationen, die einen Emittenten unmittelbar betreffen, grundsätzlich unverzüglich zu veröffentlichen sind (vgl. Art. 17 Abs. 1 MAR), kann ein Emittent die Veröffentlichung unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 4 MAR aufschieben.
Hinsichtlich der Vornahme der Aufschubentscheidung wurden von der BaFin die folgenden Klarstellungen getroffen: Bezieht sich eine Insiderinformation auf das originäre Aufgabengebiet des Aufsichtsrats – etwa die Entscheidung gemäß § 84 AktG über die Bestellung oder die Abberufung eines Vorstandsmitglieds –, soll der Aufsichtsrat auch die Aufschubentscheidung treffen können. Die BaFin weist darauf hin, dass der Aufsichtsrat die Kompetenz hierfür auch auf ein untergeordnetes, vom Aufsichtsrat zu kontrollierendes Ad-hoc-Gremium oder ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied delegieren kann, was für die Praxis – insbesondere bei vielköpfigen Aufsichtsräten – eine erhebliche Erleichterung darstellen dürfte. Liegen die Voraussetzungen für einen Aufschub jedoch nicht mehr vor oder beschließt der Aufsichtsrat, den Aufschub zu beenden, liegt die Verantwortlichkeit für die Vornahme der sodann erforderlichen Veröffentlichung beim Vorstand. Insofern ist sicherzustellen, dass der Vorstand entsprechend informiert wird.