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Umwandlungsmaßnahmen zu Zeiten des Coronavirus

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§ 3 Abs. 1 Satz 1 COVMG erlaubt keine virtuelle Generalversammlung einer Genossenschaft.


Überblick

  • Im Zusammenhang mit einer Verschmelzung von Genossenschaften entschied das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 26. März 2021 (1 W 4/21), dass der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG zwingend in einer Versammlung zu fassende Verschmelzungsbeschluss nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) nicht ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer gefasst werden kann.
  • Dr. Patrick Nordhues (Rechtsanwalt und Notar, Of Counsel) und Nina Reinecke beraten Sie gern bei Ihren umwandlungsrechtlichen Fragen.

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zwei Genossenschaften haben einen notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrag über ihre Verschmelzung abgeschlossen. Während die Mitglieder der übernehmenden Gesellschaft dem Verschmelzungsvertrag mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag im Wege einer außerordentlichen Generalversammlung zugestimmt haben, hatten die Mitgliedervertreter der übertragenden Gesellschaft dem Verschmelzungsvertrag bereits zuvor im Wege einer virtuellen Vertreterversammlung zugestimmt.

Das Registergericht hatte die Eintragung der Verschmelzung zurückgewiesen und einer hiergegen erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen, sodass das OLG zu entscheiden hatte.

Das OLG Karlsruhe hat die Beschwerde gegen die Verfügung des Registergerichts zurückgewiesen.

Ausgangspunkt der Argumentation des OLG ist § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG. Dieser schreibt rechtsformübergreifend vor, dass der Verschmelzungsbeschluss in einer Versammlung zu fassen ist.

Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht aus dem COVMG. Die Regelung für das Umwandlungsrecht in § 4 COVMG betreffe lediglich § 17 UmwG, ergebe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der umwandlungsrechtliche Versammlungszwang eingeschränkt oder suspendiert werden sollte.

Es bestehe zwar grundsätzlich die Möglichkeit, durch Satzungsregelung eine Beschlussfassung in General- bzw. Vertreterversammlungen in elektronischer Form gemäß § 43 Abs. 7 Satz 1 GenG zuzulassen, jedoch enthalte die Satzung der übertragenden Gesellschaft keine entsprechende Regelung.

Die für Genossenschaften zentrale Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 COVMG kann nach Auffassung des Gerichts ebenfalls nicht dahin gehend interpretiert werden, dass eine Generalversammlung ohne physischen Präsenz der Teilnehmer zulässig ist. § 3 Abs. 1 Satz 1 COVMG sehe vor, dass abweichend von § 43 Absatz 7 Satz 1 GenG Beschlüsse der Mitglieder auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden können, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen sei. Diese Regelung helfe insofern nur über eine etwaig fehlende Satzungsregelung hinweg, mit der Folge, dass auch eine Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung erfolgen könne. Eine solche Versammlung sei aber gerade eine der Kernvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG.

Systematisch unterscheide der Gesetzgeber zwischen einer Beschlussfassung in elektronischer Form und einer virtuellen Versammlung.

Für die Rechtsformen AG, KGaA, SE und Versicherungsvereine sehe § 1 Abs. 1 COVMG ausdrücklich vor, dass der Vorstand sich für eine virtuelle Versammlung entscheiden kann. Eine solche Regelung enthalte § 3 COVMG für die Genossenschaft aber gerade nicht.

Dies lässt nach Auffassung des Gerichts auch keine Auslegung über den Wortlaut von § 3 COVMG hinaus zu, da der Gesetzgeber die für die AG vorgesehenen Erleichterungen rechtsformabhängig unterschiedlich ausgestaltet habe (z. B. auch bei der GmbH in § 2 COVMG).

Auch der Wille des Gesetzgebers (Schaffung von Erleichterungen für Genossenschaften durch die Möglichkeit der Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz, BT-Drucks. 19/8110, S. 5, 19 und 28) kann nach Auffassung des Gerichts nicht herangezogen werden, da dem Gesetzgeber der unterschiedliche Wortlaut und Inhalt der Vorschriften zu den verschiedenen Rechtsformen durchaus bewusst gewesen sein müsse.

Auch könne in § 4 COVMG keine planwidrige Regelungslücke im Hinblick auf das Versammlungserfordernis des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG angenommen werden. Ein genereller Wille des Gesetzgebers, rechtsformübergreifend virtuelle Versammlungen zulassen zu wollen, sei nicht erkennbar.

In der Tat spricht insbesondere der rechtsformabhängige unterschiedliche Regelungsgehalt der einzelnen Vorschriften des COVMG dagegen (s. o.).

Fazit

Der Beschluss des OLG Karlsruhe ist für die Praxis unbefriedigend und wird insbesondere mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen in der Literatur kritisiert. Einstweilen ist für die Praxis jedoch festzuhalten, dass bei Genossenschaften rein virtuelle Generalversammlungen durch § 3 Abs. 1 COVMG nicht ermöglicht werden. Da der Beschluss nicht rechtskräftig ist, bleibt abzuwarten, wie der BGH hierzu entscheidet.

Dasselbe dürfte im Übrigen nach § 2 COVMG auch für GmbHs gelten. Der Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich darauf, dass abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG Beschlüsse auch dann in Textform oder schriftlich gefasst werden können, wenn kein Einverständnis sämtlicher Gesellschafter vorliegt. Dies hat zur Folge, dass bei Umwandlungsmaßnahmen (ggf. in entsprechender Anwendung) jeweils § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG mit der Folge gilt, dass der Zustimmungsbeschluss zu der Umwandlung in einer Versammlung gefasst werden muss.

Das Gericht hat in der vorliegenden Entscheidung offengelassen, ob § 43 Abs. 7 Satz 1 GenG überhaupt die Möglichkeit rein virtueller Versammlungen eröffnet. Dies ist in der Literatur umstritten (vgl. dazu Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2021, § 43 GenG Rn. 6a; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Auflage 2012, § 43 Rn. 60). Nach Auffassung von Geibel (Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Auflage 2021, § 43 GenG Rn. 6a) kann jedoch der Anfechtungsausschluss aus § 3 Abs. 1 Satz 4 COVMG dahin gehend ausgelegt werden, dass auch Mitgliederrechte im Vorfeld der Beschlussfassung auf elektronischem Weg ausgeübt werden können, inklusive des Teilnehmerrechts selbst. Somit sei es möglich, dass einzelne oder alle Mitglieder der Genossenschaft per elektronischer Zuschaltung an einer Versammlung teilnehmen, sodass Letztere den COVID-19-Beschränkungen gerecht werden kann. Im Hinblick auf den vorstehenden Beschluss des OLG Karlsruhe sollte jedoch derzeit davon abgesehen werden, Versammlungen rein virtuell abzuhalten. Zumindest einzelnen Mitgliedern (etwa dem Versammlungsleiter) sollte die Möglichkeit der Teilnahme in Präsenz gegeben werden.

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