Mann sieht aus dem Fenster in den Sonnenuntergang

Kündigung eines Geschäftsführers bei Betriebsübergang


In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Unternehmen verdiente Arbeitnehmer zu Geschäftsführern ernennen, ohne den Prozess vertraglich zu regeln, d. h. den bestehenden Arbeitsvertrag aufzuheben und einen neuen Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 20.07.2023, dass dies bei einem Betriebsübergang Konsequenzen haben kann und daher mit bestimmten Risiken verbunden ist (BAG, Urteil vom 20.07.2023 – Az.: 6 AZR 228/22).

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1) und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach einem potenziellen Betriebsübergang. Der Kläger war langjährig bei der P GmbH (Beklagte zu 2) angestellt und wurde später zu ihrem Geschäftsführer bestellt, ohne dass ein formeller (Änderungs-)Vertrag vorlag, weder schriftlich noch mündlich. Stattdessen haben die Parteien in einer späteren „Änderung zum Arbeitsvertrag“ lediglich die Arbeitszeitbestimmungen modifiziert, während die übrigen Vertragsbedingungen unverändert blieben. Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 2 eröffnet. Eine andere Gesellschaft aus demselben Konzern übernahm wesentliche Betriebsmittel, Vermögenswerte sowie Teile der Belegschaft. Nachdem der Beklagte zu 1 das Arbeitsverhältnis sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführerdienstverhältnis des Klägers kündigte, legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder. Er machte geltend, dass sein Arbeitsverhältnis auf die andere Konzerngesellschaft übergegangen sei. Die Beklagten bestritten dies. Sie argumentierten, dass die Kündigung wirksam sei und kein Betriebsübergang stattgefunden habe.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Rheine hat der Klage insgesamt stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hat sie hingegen abgewiesen. Das LAG begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass § 613a Abs. 4 BGB dahin gehend teleologisch zu reduzieren sei, dass er auf Organmitglieder juristischer Personen auch dann keine Anwendung finde, wenn der Organstellung ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt (LAG Hamm, Urteil vom 25.03.2022 – Az.: 16 Sa 522/21). Dem erteilte das BAG jedoch eine deutliche Absage, hob das Urteil der Vorinstanz größtenteils auf und verwies den Rechtsstreit zur endgültigen Klärung des Sachverhalts zurück an das Instanzgericht.

Im Einzelnen:

Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Kündigung wirksam ist, sei der Zugang der Kündigung beim Kläger. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger noch das Amt als Geschäftsführer inne. Für die Anwendung des KSchG sei allein entscheidend, ob der Kläger ein Organ der Anstellungsgesellschaft ist. Der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag sei hingegen unerheblich. Die Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG habe nicht nur klarstellende Wirkung, sondern beinhalte eine negative Fiktion zulasten der Organe.

Für die Anwendung des § 613a BGB im Rahmen eines Betriebsübergangs – hier ausgelöst durch die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel, Vermögenswerte sowie Teile der Belegschaft durch eine andere Konzerngesellschaft – sei jedoch das schuldrechtliche Grundverhältnis und nicht die Organstellung maßgeblich. Auch nach der Bestellung zum Geschäftsführer bleibe das ursprünglich vereinbarte Arbeitsverhältnis für den Kläger relevant. Die Bestellung als Geschäftsführer führe nicht automatisch zu einem (konkludenten) Dienstvertrag. Es bedürfe vielmehr weiterer Umstände wie etwa einer Gehaltserhöhung oder der Gestellung eines Dienstwagens. Der Umstand, dass in der Praxis regelmäßig ein Dienstvertrag geschlossen wird, sei für sich genommen nicht ausreichend.

Des Weiteren sei § 613a Abs. 4 BGB, anders als von der Vorinstanz angenommen, auch nicht teleologisch zu reduzieren, da keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Zudem erlange der Kläger durch den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch keine inadäquate kündigungsschutzrechtliche Begünstigung. Ausgeschlossen seien nur Kündigungen aufgrund eines Betriebsübergangs. Allein die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses gingen auf den Erwerber über, nicht jedoch die Organstellung. Daher würden dem Erwerber auch keine Arbeitnehmer mit besonderen Rechten aufgedrängt.

Praxishinweis

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des BAG, dass vor einem Betriebsübergang mit Blick auf das Kündigungsverbot wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils gem. § 613a Abs. 4 BGB auch ein besonderes Augenmerk auf die vertragliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Geschäftsführers gelegt werden sollte, der der übergehenden Organisationseinheit zugeordnet ist.

Das Urteil des BAG betont in diesem Zusammenhang insbesondere die rechtliche Trennung von Arbeitsvertrag und Organstellung. Sollte ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer bestellt und der bislang geltende Arbeitsvertrag unverändert beibehalten werden, fällt der Arbeitnehmer mit dem Ende der Organstellung in seine Arbeitnehmerposition zurück und hat im Falle eines Betriebsübergangs Anspruch auf die Schutzbestimmungen gemäß § 613a BGB.

Um Rechtsunsicherheiten in diesem Kontext im Vorfeld zu vermeiden, sind Arbeitgeber daher gut beraten, bei Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer etwaige vorhandene bisherige Arbeitsverträge aufzuheben und einen gesonderten Geschäftsführerdienstvertrag abzuschließen. Bei der Aufhebung des vorherigen Arbeitsvertrags sollte dabei streng auf die Einhaltung der Schriftform gemäß § 623 BGB geachtet werden.

Für Arbeitnehmer hingegen gilt, dass nach der Abberufung aus der Organstellung weiterhin Anspruch auf die Fortsetzung der vorherigen Arbeitstätigkeit besteht, wenn kein gesonderter Geschäftsführerdienstvertrag aufgesetzt wurde. Das Ende der Organstellung bedeutet also nicht automatisch die Kündigung des Arbeitsvertrags.

Kontaktpersonen: Wolfgang HardtPhilipp B. Bekemeier