Sachverhalt
Die Beklagte, ein Unternehmen für die Herstellung und den Vertrieb von Aluminiumgussteilen, beschäftigte in ihrem einzigen Betrieb ca. 600 Arbeitnehmer. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte die Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022. Mit Spruch der Einigungsstelle vom 24.11.2022 wurden die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs für gescheitert erklärt. Unter Einräumung der Gelegenheit, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, sprach die Beklagte gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus. Ein Team bestehend aus 53 Arbeitnehmern wurde zur Abwicklung des Unternehmens weiterbeschäftigt; die übrigen Arbeitnehmer – darunter der Kläger – wurden bereits ab dem 01.01.2023 unwiderruflich freigestellt. Das Abwicklungsteam wurde sukzessive zunächst um 13 Arbeitnehmer zum 31.03.2023 und schließlich um die restlichen 40 Arbeitnehmer zum 30.06.2023 abgebaut. Gegen seine Kündigung vom 16.12.2022 zum 31.03.2023 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und berief sich darauf, dass insbesondere die Sozialauswahl und die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft gewesen seien.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht (ArbG) Solingen gab der Kündigungsschutzklage in erster Instanz statt (ArbG Solingen, Urteil vom 13.04.2023 – Az.: 3 Ca 126/23). Auf die Berufung der Beklagten bestätigte das LAG Düsseldorf die Entscheidung des ArbG und wies die Berufung als unbegründet zurück. Die Begründetheit der Kündigungsschutzklage folgte für das LAG nicht aus § 17 KSchG i. V. m. § 134 BGB wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellten keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil der Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sei. Die Kündigung sei jedoch mangels ordnungsgemäßer Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) unwirksam. Zur Begründung seiner Entscheidung verwies das LAG darauf, dass ein Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Reihenfolge der zu kündigenden Arbeitnehmer nicht frei sei. Vielmehr habe er dabei die Grundsätze der Sozialauswahl zu beachten. Restabwicklungsarbeiten seien grundsätzlich durch die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer durchzuführen. Im Rahmen der Sozialauswahl seien die Vergleichsgruppen nicht entsprechend der ursprünglichen Tätigkeit zu bilden, sondern vielmehr anhand der anfallenden Tätigkeiten im Rahmen der Abwicklung des Betriebs. Es habe der Beklagten oblegen, die Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl zu widerlegen, insbesondere im Hinblick auf die Aufgaben, Dauer und Anforderungen der Restabwicklungsarbeiten. Dies sei ihr auch in der zweiten Instanz nicht gelungen.