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10. GWB-Novelle: Vieles ändert sich!

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Die Bundesregierung beabsichtigt, zum zehnten Mal das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu novellieren.


Überblick

  • Nachdem der Referentenentwurf schon längere Zeit vorlag, hat sie im September einen entsprechenden Regierungsentwurf des sogenannten GWB-Digitalisierungsgesetzes vorgelegt.
  • Die hierzu gerade laufenden Beratungen im Bundestag bzw. in den dortigen Fachausschüssen sowie die bisherigen Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen lassen vermuten, dass es bis zur Verabschiedung nicht mehr zu wesentlichen Änderungen kommen wird, sodass sich ein Ausblick lohnt.

In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/01 soll die Novelle die Kartellbehörden stärken und zugleich den veränderten Rahmenbedingungen durch die Digitalisierung Rechnung tragen. Der Entwurf sieht dabei substanzielle Änderungen diverser Vorschriften und Regelungen vor, die spürbare Auswirkungen auf die Praxis haben dürften. So soll etwa die Missbrauchsaufsicht modernisiert werden, um vor allem dem Marktmachtmissbrauch durch große digitale Unternehmen und Betreiber digitaler Plattformen besser entgegentreten zu können. 

Eingriffsrechte gegenüber „Super-Marktbeherrschern“

Zu nennen ist hier zuvorderst der neue § 19a des Entwurfs, mit dem das Bundeskartellamt weitreichende Eingriffsbefugnisse gegenüber „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ („Super-Marktbeherrscher“) erhalten soll. Der Gesetzgeber nimmt damit klar Digitalkonzerne in den Blick. Stellt das Bundeskartellamt in Anwendung der Vorschrift in Zukunft fest, dass beispielsweise ein Plattformbetreiber eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb besitzt, kann es diesem beispielsweise verbieten, eigene Angebote gegenüber den Angeboten von Wettbewerbern auf der Plattform zu bevorzugen („Verbot der Selbstbevorzugung“).

Zugang zu Daten gewinnt weiter an Bedeutung 

Ferner stellt der Gesetzesentwurf die Bedeutung des Zugangs zu Daten für die gesamte digitalisierte Wirtschaft noch einmal stärker heraus.

  • Zum einen soll für die Bestimmung von Marktbeherrschung zukünftig generell der Zugang eines Unternehmens zu wettbewerbsrelevanten Daten maßgeblich sein. In den Anwendungsbereich dieser Regelung werden natürlich in erster Linie die Betreiber großer digitaler Plattformen fallen, die auch heute schon vom Gesetz erfasst werden. Der Fokus wird mit der Novelle aber spürbar auf Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen ausgeweitet, sodass in Zukunft der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten standardmäßig bei der Frage zu berücksichtigen sein wird, ob ein Unternehmen marktbeherrschend ist. Dies dürfte insbesondere für all die Unternehmen bedeutsam sein, die aufgrund ihres Geschäftsmodells über eine Vielzahl wettbewerbsrelevanter Daten wie z. B. Kundendaten verfügen.
  • Ferner soll der Zugang zu Daten auch vom Konzept der essential facilities doctrine erfasst sein. So soll die Verweigerung des Zugangs zu Daten gegenüber einem anderen Unternehmen nach dem Willen des Gesetzgebers ein missbräuchliches Verhalten darstellen, wenn der Zugang objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 des Entwurfs).

Tiefgreifende Änderungen für die Fusionskontrolle

Während die vorstehenden Punkte bereits weitgehend im Referentenentwurf angelegt waren, enthält der in den Bundestag eingebrachte Regierungsentwurf zusätzlich tiefgreifende Änderungen für die Fusionskontrolle.

  • So sollen die Inlandsumsatzschwellen in der Fusionskontrolle gem. § 35 Abs. 1 Nr. 2 von derzeit 25 Mio. Euro auf 30 Mio. Euro bzw. von 5 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro erhöht werden. Erwartet wird hierdurch eine Senkung der anmeldepflichtigen Vorhaben und damit eine Entlastung des Bundeskartellamtes. 
  • Angepasst werden soll auch die sog. Bagatellmarktklausel in § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB, wonach ein Zusammenschluss auf einem Markt mit einem Umsatzvolumen von weniger als 15 Mio. Euro grundsätzlich nicht untersagt werden darf. Diese Schwelle soll zukünftig auf 20 Mio. Euro erhöht werden. 
  • Mit der Novelle eingeführt werden soll als sogenannte Remondis-Klausel ein neuer § 39a. Dieser soll das Bundeskartellamt ermächtigen, Unternehmen dazu zu verpflichten, Zusammenschlüsse in einem bestimmten Wirtschaftszweig auch bei Unterschreiten der Umsatzschwellen anzumelden. Erforderlich ist dafür, dass das Bundeskartellamt zuvor infolge einer Sektoruntersuchung festgestellt hat, dass objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch weitere Zukäufe der Wettbewerb im Inland erheblich behindert werden könnte und der Anteil des betroffenen Unternehmens an Angebot oder Nachfrage in den relevanten Wirtschaftszweigen mindestens 15 Prozent beträgt. Da Sektoruntersuchungen in der Regel recht aufwendig sind, ist die Relevanz dieser Regelung für die Praxis jedoch fraglich. 
  • Weiter sieht der Entwurf Privilegierungen für standortübergreifende Zusammenschlüsse zwischen bestimmten Krankenhäusern vor, die nach der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung förderfähig sind. So sollen ausweislich der Regierungsbegründung gesundheitspolitisch besonders wünschenswerte Zusammenschlussvorhaben, mit denen die gesundheitspolitischen Ziele einer Spezialisierung und Zentrenbildung zugunsten einer patienten- und bedarfsgerechten wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhäusern verfolgt werden, zukünftig zeitlich befristet für die Laufzeit des Strukturfonds aus dem Anwendungsbereich der Fusionskontrolle ausgenommen werden. 

Hinzu kommen weitere verfahrensrechtliche Anpassungen und Änderungen wie beispielsweise die Verlängerung der Prüffrist für Phase-2-Verfahren von vier auf fünf Monate oder der Wegfall der Vollzugsanzeige.

Mehr Eingriffsrechte in Verwaltungs- und Bußgeldverfahren

Die Novelle soll ferner die Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörden erweitern. Zukünftig soll etwa jede natürliche Person zur Auskunft oder Herausgabe verpflichtet werden können. Ähnlich dem aktuellen EU-Recht soll zudem bei Durchsuchungen eine bußgeldbewehrte Mitwirkungspflicht bestehen. Ferner ist vorgesehen, dass sich die zur Auskunft verpflichteten Personen im Rahmen ihrer Aussage auch durchaus selbst belasten müssen. Ihre Aussagen dürfen dann zwar nicht in einem Straf- oder einem OWiG-Verfahren gegen sie verwendet werden; dies steht aber einer Verwendung gegen das Unternehmen selbst oder andere natürliche Personen nicht entgegen. Diese und weitere vorgesehene Änderungen dürften es erforderlich machen, die unternehmensinterne Vorbereitung für den Fall einer Durchsuchung (Trainingsmaterial, Leitfäden etc.) zu aktualisieren.

Auch die Bußgeldverhängung selbst wird von Gesetzentwurf berührt. So konkretisiert der Entwurf Kriterien für die Bußgeldbemessung. Bereits bisher in der Praxis verwendete Kriterien werden als nicht abschließender Katalog fixiert. Dies dürfte endlich zu mehr Klarheit und damit hoffentlich zu einer Angleichung in der Bußgeldbemessung von Bundeskartellamt und Gerichten führen.

Fazit

Erwähnt werden soll hier schließlich noch die Aufnahme der Regelungen zum Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamtes („Bonusantrag“) in den Gesetzentwurf. Dies schafft ebenfalls mehr Rechtssicherheit und Transparenz für die Rechtsanwender. Problematisch bleibt aber leider weiterhin, dass im Falle eines Kartellverstoßes, der gleichzeitig strafrechtlich relevant ist, wie z. B. ein Submissionsbetrug, für ein parallel zum Kartellordnungswidrigkeitenverfahren laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft keine Kronzeugenregelung existiert. Dies führte in der Praxis bisher zu erheblichen Spannungen, da Kartellbehörde und Staatsanwaltschaft regelmäßig ihre Ermittlungsergebnisse teilen und sich so ein Kronzeugenantrag im Kartellordnungswidrigkeiten-verfahren auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nachteilig für den Kronzeugen auswirken kann.

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