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Microsoft Office 365 und Datenschutz – Eine regulatorische Odyssee

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Die von den deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden veranlasste Überprüfung der Plattform „Microsoft Office 365“ wirft Fragen hinsichtlich eines datenschutzkonformen Einsatzes der Plattform auf.


Überblick

  • Der für die Überprüfung aufgestellte Arbeitskreis bewertete die Plattform als nicht ausreichend transparent.
  • Aktuell besteht jedoch weder ein Verbot noch eine zufriedenstellende Lösung, die einen datenschutzkonformen Einsatz von Microsoft Office 365 ermöglicht.
  • Unternehmen sind dennoch angehalten, risikominimierende Maßnahmen sowie datenschutzfreundliche Voreinstellungen im Rahmen ihrer regulatorischen Verantwortung zu treffen, um möglichen Sanktionen präventiv entgegenzuwirken.

Die durch die Corona-Pandemie beschleunigte digitale Transformation hin zu flexibleren Arbeitsformen mit Homeoffice haben Cloud-basierten Tools für kollaboratives Zusammen-arbeiten einen regelrechten Boom verschafft. Treiber sind dabei Softwarelösungen, wie z.B. Microsoft Office 365 mit Microsoft Teams, die flexible Kommunikation und „modern Workplaces“ ermöglichen. Dabei steht Office 365 jedoch schon länger kritisch im Blickfeld der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz, DSK), die sich kürzlich zum Einsatz von Office 365 geäußert hat.

Beschluss der Datenschutzkonferenz

Die DSK hat zur datenschutzrechtlichen Bewertung von Office 365 den „Arbeitskreis Verwaltung zur Auftragsverarbeitung bei Microsoft Office 365“ aufgestellt. Dieser hat „die dem Einsatz des Produktes Microsoft Office 365 zu Grunde liegenden Online Service Terms (OST) sowie die Datenschutzbestimmungen für Microsoft-Onlinedienste (Data Processing Addendum / DPA) – jeweils Stand: Januar 2020“ geprüft. Der Arbeitskreis kam im September 2020 zum Ergebnis, „dass auf Basis der genannten Unterlagen kein datenschutzgerechter Einsatz von Microsoft Office 365 möglich ist“.

Dabei wurde insbesondere moniert, dass es den Dokumenten an Transparenz fehle und die Art und Zweck der Verarbeitung der personenbezogenen Daten sowie dessen Umfang nicht ausreichend offengelegt werde. Weiterhin liege keine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Telemetrie-Diagnosedaten an Microsoft vor. Auch sei der vertragliche Vorbehalt der Weitergabe von Daten in gesetzlich vorgeschrieben Fällen zu weit gefasst.

Diese Bewertung wurde von der DSK mit nur 9 zu 8 Gegenstimmen der Mitglieder „mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis genommen“ und kommuniziert.

Bemerkenswert ist insofern, dass 8 von insgesamt 17 Aufsichtsbehörden (u. a. Bayern und Baden-Württemberg) nicht zugestimmt haben, da die Gesamtbewertung „zu undifferenziert“ ausfalle.

 

Folgen für Unternehmen, die Office 365 einsetzen

Vor diesem Hintergrund stellt sich für Kunden (d.h. datenschutzrechtliche Verantwortliche) von Office 365 die Frage, ob der Einsatz der Softwarelösung von Microsoft nun weiterhin zulässig und erlaubt ist.

Die Antwort: Ja! – wenn die Kunden ihren eigenen operativen Datenschutz zum Einsatz von Office 365 sicherstellen.

Die Bewertung des Arbeitskreises und der Beschluss der DSK stellen keine bindende Entscheidung dar. Auch lassen sich die monierten Aspekte des Arbeitskreises nicht von den Nutzern von Office 365 selbst beheben, sondern sind vielmehr Gegenstand des Dialogs zwischen Microsoft und den europäischen Datenschutzbehörden.

Auch ist der Prüffokus der DSK nicht ganz eindeutig. Derzeit existieren übergeordnet mindestens zwei unterschiedliche Produktgruppen von Microsoft, nämlich Office 365 und Microsoft 365, die je nach Gebrauch und Bedarf für private und geschäftliche Zwecke individuell angepasst werden können. Eine nähere Aufklärung dazu erfolgte seitens der DSK bislang nicht. So handelt es sich bei Microsoft 365 im Vergleich zu Office 365 um ein Softwarepaket, dass die Funktionen von Office 365, Windows 10 und Enterprise Mobility + Security kombiniert und weitere „intelligente“ Features bereitstellt. Für beide Produktgruppen lassen sich auch unterschiedliche „Business“, „Enterprise“, „ProPlus“ oder private Lizenzen (wie „Student“ oder „Home“) abschließen, die beispielsweise unterschiedliche Konfigurationsmöglichkeiten hinsichtlich der Cloud-Integration ermöglichen.

Seit Januar 2020 hat Microsoft im Übrigen erhebliche Änderungen an den Vertragsdokumenten vorgenommen. Im Lichte der „Schrems-II“ Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat Microsoft ein „Additional Safeguards Addendum to Standard Contractual Clauses“ veröffentlich. Microsoft argumentiert damit, den Einsatz von Office 365 datenschutzkonform(er) gestaltet zu haben, was von einigen deutschen Aufsichtsbehörden durchaus positiv zur Kenntnis genommen wird (vgl. etwa die Pressemitteilung vom 20.11.2020 des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informations-freiheit Baden-Württemberg: „#DSGVOwirkt: Microsoft passt sich europäischem Datenschutz an“). Details hierzu schauen wir uns in einem Folgeartikel in der nächsten Ausgabe dieses Briefings an.

Nichtsdestotrotz obliegen den Kunden von Microsoft als datenschutzrechtlichen Verantwortlichen die Pflichten aus der DSGVO, die sie beim Einsatz von Office 365 neben der Auftragsverarbeitung zu beachten haben und die sie bestenfalls gegenüber einer Aufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Rechenschaftspflicht nachweisen können und müssen.

 

Risikominimierende Maßnahmen treffen

Mit der Datenschutz-Folgenabschätzung gem. Art. 35 DSGVO sollten Unternehmen vorab prüfen, welche Risiken und Folgen für Betroffene durch die Anwendung von Microsoft Office 365 entstehen könnten. Auch wenn derzeit Unsicherheiten hinsichtlich eines datenschutzkonformen Einsatzes von Office 365 bestehen, ist es möglich, innerhalb der jeweiligen eingesetzten Version, datenschutzfreundliche Voreinstellungen vorzunehmen und damit präventive Maßnahmen zu ergreifen. So können beispielsweise Lese- oder Empfangsbestätigungen von Nachrichten in Microsoft Teams auf administrativer Ebene für sämtliche Nutzer deaktiviert werden, um einer Überwachung der Mitarbeiter durch etwa Vorgesetzte zuvor zu kommen. Aber auch gegenüber Microsoft können abhängig von der eingesetzten Version des Programms Funktionalitäten wie „Surveys“ zu dem Produkt abgeschaltet oder Telemetriedaten eingeschränkt werden. Die Definition von Nutzungseinstellungen, Zugriffsrechten sowie technischen und organisatorischen Maßnahmen, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es sollte also ein umfassendes Schutzkonzept und eine Handlungsanweisung hinsichtlich der Nutzung von Microsoft Office 365 erstellt werden.

Denn tatsächlich kritisch wird der Einsatz von Office 365 dann, wenn die volle Bandbreite an Funktionalitäten zum Einsatz kommt, die beispielsweise eine Mitarbeiterüberwachung gezielt ermöglicht. So besteht die Möglichkeit, dass durch eine neue Funktion des Office-Pakets beispielsweise ein sog. Produktivitätswert des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgelesen werden kann. Damit wird aufgezeichnet, wann und insbesondere wie oft die Mitarbeiter die Software benutzen, wann und wie viele E-Mails sie mit Outlook verschickt haben, bis hin zur Dauer und Häufigkeit von Gesprächen. Eine namentliche Auflistung sei dabei nicht ausgeschlossen. Dieses Risiko lässt sich jedoch mit der Veränderung von Standardeinstellungen und der Umsetzung von datenschutzfreundlichen Voreinstellungen minimieren bzw. komplett abschalten.

Bei der Auswahl entsprechender risikominimierender Maßnahmen haben sich die Verantwortlichen wie bei anderen Verarbeitungstätigkeiten auch sonst an den Grundsätzen der Datenverarbeitung aus Art. 5 DSGVO zu orientieren, wie etwa Transparenzmaßnahmen in Form von Datenschutzinformationen für die eigenen Mitarbeiter.

 

Risiko Drittlandtransfer

Mit dem Schrems-II-Urteil des EuGHs vom 16. Juli 2020 (C-311/18), wurde das sog. „EU-US Privacy Shield“ für ungültig erklärt. Demnach ist die Privacy-Shield-Zertifizierung der US-Unternehmen keine geeignete Garantie für Datentransfers in bzw. aus den USA mehr, die im Zuge der Nutzung von Office 365 und den damit regelmäßig verbunden Cloud-Möglichkeiten stattfinden bzw. zumindest nicht ausgeschlossen sind. Auch übermittelt Microsoft Telemetriedaten ihrer Produkte, die zwar teilweise durch den verantwortlichen Nutzer limitiert, aber nicht vollständig unterbunden werden können. Der EuGH hat dem Privacy Shield insbesondere deshalb die Garantiewirkung für ein hinreichendes Datenschutzniveaus abgesprochen, weil in den USA sehr weitreichende geheimdienstliche Zugriffsbefugnisse auf Daten der Nutzer dieser Services bestehen. Dahingehend hat die EU-Kommission am 12. November 2020 einen Entwurf für die neuen EU-Standardvertragsklauseln veröffentlicht.

Fazit

Abschließend kann festgehalten werden, dass es aktuell weiterhin keine vollständig zufriedenstellende Lösung für den Einsatz von Office 365 aus datenschutzrechtlicher Sicht gibt. Der Beschluss der DSK bedeutet aber auch kein Verbot oder unmittelbare Rechtswidrigkeit der vielfach eingesetzten Office-Lösung. Daher geht die Datenschutz-Odyssee von Microsoft Office 365 weiter und verantwortliche Unternehmen sind beim Einsatz der Software gehalten, auf die damit einhergehenden Risiken mit geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu reagieren.

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