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Urteil des EuGH begrenzt Einsichtnahme in das Transparenzregister

Wegen Verstößen gegen die EU-Grundrechte-Charta erteilt der EuGH der freien Einsehbarkeit in das Transparenzregister durch die Öffentlichkeit eine Absage


Überblick

  • Im Oktober 2017 wurde mit der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie in Deutschland das sog. Transparenzregister eingeführt. Die Einsichtnahme und damit das Ziehen von Transparenzregisterauszügen war nur für sog. Verpflichtete (wie z. B. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Banken) und nur bei Vorliegen eines sog. berechtigten Interesses für die Öffentlichkeit zulässig. Entsprechende Regelungen dazu fanden sich im Geldwäschegesetz (GwG).
  • Mit Umsetzung der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie wurden im Jahr 2020 in § 23 GwG die Regelungen zur Einsichtnahme dahin gehend abgeändert, dass nunmehr die Öffentlichkeit frei und damit ohne Notwendigkeit eines berechtigten Interesses Einsicht nehmen konnte.
  • Der EuGH erklärte mit seiner aktuellen Entscheidung diese Teile der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie für ungültig. Die freie Einsehbarkeit der Transparenzregister durch die Öffentlichkeit mit Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer stellt nach Auffassung des EuGH einen schwerwiegenden Eingriff in die Art. 7 bzw. Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta dar.
  • Mit der Entscheidung des EuGH ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG bis auf Weiteres unanwendbar.

Im Ausgangsverfahren klagten eine luxemburgische Gesellschaft und ein wirtschaftlicher Eigentümer gegen ein aufgrund der Vierten und Fünften EU-Geldwäscherichtlinie in Luxemburg in Kraft getretenes Gesetz zum luxemburgischen Transparenzregister.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 22.11.2022, verbundene Rechtssachen C-37/20 und C-601/20) erklärte in einem Vorabentscheidungsverfahren Teile der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 2018/843) für ungültig.

Nach Ansicht des EuGH stellt die freie Einsehbarkeit der Transparenzregister durch die Öffentlichkeit mit Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer (auch UBO genannt) einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar (Art. 7 bzw. Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta). Die Angaben ermöglichen es einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen. Außerdem sei der Schutz gegen eine mögliche missbräuchliche Verwendung der personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen nicht ausreichend. Der Grundrechtseingriff sei folglich nicht auf das absolut Erforderliche beschränkt und im Verhältnis zum verfolgten Ziel (u. a. die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) nicht mehr angemessen.

Handeln des Gesetzgebers erforderlich

Die bereits rechtskräftige Entscheidung des EuGH entfaltet sowohl für die Institutionen der EU als auch für die Mitgliedstaaten Bindungswirkung. Auf nationaler Ebene haben in Deutschland sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsorgane das Urteil umzusetzen und die entgegenstehende nationale Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG unangewendet zu lassen. Wie der deutsche Gesetzgeber das Urteil genau umsetzen wird, bleibt abzuwarten. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage mit einer Einsichtnahme der Öffentlichkeit, die an ein berechtigtes Interesse knüpft, erscheint wahrscheinlich, wobei jedoch fraglich ist, wie dieser Begriff definiert wird. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens war bereits diskutiert worden, dass sich der Begriff des berechtigten Interesses nur schwer für eine Legaldefinition eigne. In jedem Fall ist jedoch ein schnelles Handeln des Gesetzgebers wünschenswert.

 

Erste praktische Folgen

Seit dem 30. November 2022 informiert das Transparenzregister auf seiner Website offiziell über die Aussetzung der Ausgabe von Auszügen auf Antrag der Öffentlichkeit und verspricht eine zeitnahe Information über die weiteren Auswirkungen der EuGH-Entscheidung.

Auch aus anderen EU-Ländern kommen offizielle und inoffizielle Meldungen von einer Art Einsichtnahme-Lockdown bei den Transparenzregistern.

 

Aus Sicht der wirtschaftlich Berechtigten ist die Entscheidung des EuGH aufgrund der erheblichen Sicherheitsbedenken für sie (und ihre Familien) sicherlich zu begrüßen. Für Unternehmen, die nicht nach § 2 GwG verpflichtet sind, bedeutet dies jedoch, dass sie derzeit keine eigenen Transparenzregisterauszüge ziehen können, z. B. um in der Vergangenheit vorgenommene Mitteilungen auf Aktualität/Richtigkeit hin zu überprüfen oder auf Anfrage vorzulegen. Dies ist umso bedauerlicher, als nach einer erfolgreichen Eintragung von Daten des (fiktiven) wirtschaftlich Berechtigten die Transparenzregisterplattform schon systemisch keinen Auszug für die betroffenen Unternehmen zur weiteren Verwendung generiert. Jedenfalls in Fällen, in denen mit den Geschäftsleitungsmitgliedern ein fiktiver UBO eingetragen ist, besteht derzeit keine Notwendigkeit, die Einsichtnahme der Öffentlichkeit zu begrenzen.

 

Laufende KYC-Anfragen von Banken (z. B. im Rahmen einer Kontoeröffnung) oder anderen Verpflichteten im Sinne des Geldwäschegesetzes (z. B. Notaren, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern etc.) sollten nicht beeinträchtigt sein, da dieser Personenkreis grundsätzlich weiterhin Zugang zum Transparenzregister hat.

 

Mit einer Neuregelung sollte dem Schutz der Interessen derjenigen Rechnung getragen werden, deren Daten im Transparenzregister einsehbar sind. Gleichzeitig sollte aber auch die praktische und rechtliche Notwendigkeit im wirtschaftlichen Alltag, einen Transparenzregisterauszug für sich selbst oder einen Dritten ziehen zu können, Berücksichtigung finden.  

Fazit

Der aktuelle Blockadezustand muss umgehend aufgelöst werden. Solange er noch andauert, müssen sich Unternehmen bei Bedarf z. B. an Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare, Banken etc. wenden, da dieser Personenkreis weiterhin Zugang zum Transparenzregister hat.

Die Entscheidung des EuGH betrifft nur den Bereich der Einsichtnahme in das Transparenzregister durch die Öffentlichkeit. Die Verpflichtung von Rechtsträgern und bestimmten Rechtsgestaltungen zur Mitteilung ihrer wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister bleibt davon unberührt.

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